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Erinnert sich noch jemand an Frauen im Klassenkampf?
von Gruppe Perspektiven

Wie Ihr sicherlich bemerkt habt, stimmt irgendetwas mit dem Cover dieser Ausgabe von Perspektiven nicht. Das ursprüngliche Cover war eine Abwandlung von Dimitri Moors Plakat zur Anwerbung Freiwilliger für die Rote Armee aus dem Jahr 1920. In Anbetracht der vorherrschenden Papierknappheit in der Zeit des russischen Bürgerkriegs und Kampfes zur Verteidigung der Revolution war es mit einer Auflage von etwa 50.000 Stück eines der meist verbreiteten Plakate seiner Zeit. Das Plakat reiht sich mit seiner Ikonographie (direkte Ansprache, Fingerzeig auf BetrachterIn) nahtlos in die Riege der Rekrutierungsposter des Ersten Weltkriegs ein. So warb etwa England bereits 1914 mit einem ähnlichen Sujet für Freiwillige. Am Bekanntesten ist sicherlich Uncle Sams „I want you for US Army“ aus dem Jahr 1917. Auch die konterrevolutionäre Weiße Armee nutze diese Ikongraphie für ein Plakat des Jahres 1919. Der von uns benutzte Claim Do you remember Klassenkampf? spielt mit dieser direkten Anrede.
Die Russische Revolution und die Verteidigung dieser im Bürgerkrieg kann wohl als der erfolgreichste klassenkämpferische Akt in der Geschichte bezeichnet werden. In diesem Kontext ist auch das Cover (als Einheit von Bild und Claim) zu verstehen. Die ursprüngliche Darstellung hatte hierbei nicht den Anspruch einer adäquaten Darstellung der Zusammensetzung der ArbeiterInnenklasse, sondern sollte auf die militärische Auseinandersetzung im Klassenkampf verweisen.
Nachdem das Heft schon gedruckt war, wurde sowohl innerhalb der Gruppe Perspektiven als auch von ersten LeserInnen vermehrt Kritik am Motiv des Covers laut. Im Zuge einer feministischen Intervention wurden die Kritikpunkte schließlich in der Gruppe diskutiert. Der Hauptkritikpunkt am gewählten Motiv besteht darin, dass die ursprünglich gewählte Darstellung Klassenkampf unreflektiert mit der Figur des männlichen, weißen Industriearbeiters identifiziert. Frauen und nicht-weiße Identitäten als Teil der ArbeiterInnenklasse werden unsichtbar gemacht. Die sowohl historisch als auch aktuell oftmals tragende Rolle, die diese in den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse gespielt haben und immer noch spielen, wird so einmal mehr negiert. Statt mit dem gewählten Motiv die Kollektivität von Klassenkämpfen adäquat widerzuspiegeln und darauf zu verweisen, dass Handlungsmacht nur kollektiv errungen werden kann, ist auf dem Cover ein einzelner „starker Mann“ abgebildet. Zudem wird die ursprünglich intendierte ironische Brechung der autoritären Geste des abgebildeten Rotarmisten, wie sich herausgestellt hat, nicht als solche wahrgenommen.

Nach der gemeinsamen Diskussion dieser Kritikpunkte haben wir uns dazu entschieden, die Kritik und die folgende Diskussion auch symbolisch am aktuellen Cover abzubilden.

Eure Perspektiven





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