Krisen erschüttern nicht nur das Wirtschaftsleben, sondern eröffnen immer auch die Möglichkeit für eine Kritik an den Grundzügen des anerkannten Wirtschaftsverständnisses und der kapitalistischen Logik. Philipp Probst stellt im ersten Teil unserer neuen Serie zu marxistischen Krisentheorien bürgerlichen Analysen eine marxistische Sichtweise entgegen.
Im November 2009 fuhren die Chefs der führenden amerikanischen Automobilkonzerne nach Washington D.C. um vom US-Senat finanzielle Mittel und Unterstützung zu erbitten. Die „Drei Großen“ der US-Autoindustrie (Ford, General Motors und Chrysler) waren angeschlagen und mussten vor dem Bankrott gerettet werden. Nach der Rettung von Immobilienbanken und Versicherungsunternehmen wie Northern Rock, Fannie Mae und Freddy Mac, bedeutete die Unterstützung der Autoindustrie den nächsten riesigen bailout großer Konzerne mittels Subventionen in Milliardenhöhe. Die Krise, die zunächst als Finanz- und Bankenkrise begonnen hatte, weitete sich nicht nur global aus. Auch in der „Realwirtschaft“ zeigten sich deutliche Instabilitäten. Während ständig Versuche unternommen wurden, die Auswirkungen der Krise für die Kapitalseite abzumildern, zeichneten sich immer größere Brüche im „selbstregulierenden“ kapitalistischen System ab.
Eine Frage liegt auf der Hand: Warum haben professionelle WirtschaftsforscherInnen – diejenigen, die in Zeiten des Aufschwung nicht müde wurden, die positiven Seiten der kapitalistischen Marktwirtschaft und die Kreativität neuer Finanzinnovationen anzupreisen – diese Krise nicht vorhergesehen oder zumindest gegenwirkende Maßnahmen parat gehabt? Der ehemalige Chef der Federal Reserve Alan Greenspan gab vor dem US-Senat offen zu, dass er „noch immer nicht ganz wisse, was falsch gelaufen ist, in den, wie wir glaubten, selbstregulierenden Märkten.“1 Als selbst Queen Elizabeth II. diese Frage stellte, sahen sich WirtschaftswissenschaftlerInnen genötigt, zu antworten. Nach monatelangen intensiven Diskussionen, Analysen und Beratungen mit ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Bereichen gestanden sie in einem offenen Brief an die Queen ein, dass sie ein „systemisches Risiko“ aus dem Blick verloren und verdrängt hatten. Worin dieses „systemische Risiko“ bestehe, wurde nicht näher ausgeführt.2
Dass bürgerliche Wirtschaftstheorien keine besseren Krisentheorien vorweisen können, mag verwundern. Schließlich ist die Geschichte des Kapitalismus so sehr von kontinuierlich wiederkehrenden Krisen geprägt, dass Trotzki zum Schluss kam, dass „Kapitalismus von Krisen und Aufschwung lebt, wie Menschen vom Ein- und Ausatmen.“3 Neben den großen globalen Depressionen der 1870er, 1930er und der Krise der 1970er wurden seit den 1990ern Japan, der südostasiatische Raum, Russland, die Americas und Europa von Krisen erschüttert.
Doch kaum scheint eine Krise überwunden, verwischen auch die Erinnerungen daran; ein neuer Aufschwung beginnt, begleitet von Lobgesängen auf die Versprechungen des Marktes. Diese Vergesslichkeit ist kein Zufall, sondern verweist auf die Grundlagen der bürgerlichen Wirtschaftstheorien, die von einem Gleichgewicht und der Stabilität in der kapitalistischen Wirtschaftweise ausgehen. Krisen haben darin höchstens als Ausnahmefälle einen Platz.
Politisch ist dies deshalb relevant, weil nicht nur neoliberale Maßnahmen zur Krisenbekämpfung mit Sparpaketen und Privatisierungen sich auf Varianten einer bürgerlichen Ökonomik stützen. Von linker Seite werden Strategien gegen die Krise an bestimmte, häufig keynesianistische, Wirtschaftsanalysen geknüpft und die Hoffnung in besser regulierte Banken- und Finanzsysteme, neue (Green) New Deals und die Ankurbelung des Konsums durch Staatsausgaben gesetzt. Der Glaube an einen an sich funktionierenden Markt – reguliert oder unreguliert – bleibt erhalten und verstellt die Möglichkeit einer revolutionären Perspektive. Eine genaue Untersuchung der Ursachen kapitalistischer Krisentendenzen ist deshalb für politische Strategien und Taktiken zentral.
Mit einer Serie zur marxistischen Krisentheorie versuchen wir – gegen bürgerliche Erklärungsansätze – die inhärente Instabilität der kapitalistischen Produktionsweise zu analysieren, aus der die unterschiedlichen Umbrüche resultieren. Um im weiteren Verlauf der Serie reale Krisenabläufe nachvollziehen zu können, müssen wir uns in einem ersten Schritt ein theoretisches Grundgerüst erarbeiten. Weil dies nur auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau möglich ist, auf dem z. B. der Staat zunächst noch ausgeblendet bleiben muss, mögen die folgenden Ausführungen manchmal mühsam wirken. Sie sind jedoch die notwendige Voraussetzung für ein grundlegendes Verständnis kapitalistischer (Krisen-)Dynamik.
Bürgerliche Krisentheorien…
Grob können zwei bürgerliche Wirtschaftstheorien unterschieden werden, die je nach Konjunktur mehr oder weniger viele AnhängerInnen finden4: die neoklassische und die keynesianistische Theorie. Für die neoklassische Theorie sind Angebot und Nachfrage die regulierenden Mechanismen zur Schaffung eines Gleichgewichts. Über diese Marktmechanismen wird eine effiziente und optimale Allokation von Ressourcen (Geld, natürliche Ressourcen, Zwischenprodukte und Konsumgüter) herbeigeführt. Zentral für diesen Zugang ist das Gesetz von Jean Baptiste Say, einem der berühmtesten klassischen Ökonomen. Dieses besagt, dass jeder Verkauf auch einen Kauf bedeutet, also das „Angebot seine eigene Nachfrage erzeugt.“ Generelle Überproduktionen und Absatzschwierigkeiten kann es demnach nicht geben, weil über Preismechanismen Angebot und Nachfrage und damit Produktion und Konsumption geregelt und in ein Gleichgewicht gebracht werden. Die (vollständige) Konkurrenz zwischen Einzelkapitalien sichert, dass die Preismechanismen richtige Signale senden. Die ausgleichende Wirkung von Angebot und Nachfrage mag zwar in der Realität immer wieder kurz gestört sein, weil Preissignale nicht sofort wirken. Dieser „leichte Wind auf einem ruhigen See“5 , so der Ökonom Walras, habe aber nichts mit gröberen Unterbrechungen des Wirtschaftstreibens zu tun. Daraus wird das Argument abgeleitet, dass Krisen nicht inneren Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise entspringen, sondern Ergebnis äußerer Einflüsse sind. Die Reihe der angeführten äußeren Einflüsse reicht dabei von abstrusen Thesen, wie dem Einfluss von Sonnenflecken oder dem hormonellen Adrenalinüberschuss von Finanzspekulanten6 [sic!] bis zu den klassischen Argumenten, dass Regulierungen durch den Staat oder Monopolstellungen den freien Zugang zu Märkten und deren selbstregulierende Mechanismen behindern.
Die traditionelle keynesianistische Sichtweise unterscheidet sich nicht stark von der Neoklassik und wird mittlerweile als Teil der orthodoxen Lehre anerkannt. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass Keynes nicht von einem möglichen Gleichgewicht ausgeht, sondern von mehreren Gleichgewichtszuständen. So wie es ein Niveau mit Vollbeschäftigung und Wohlstand gibt, kann demnach auch ein Zustand hoher Arbeitslosigkeit und Stagnation bestehen. Die Aufgabe des Staates ist es, durch gezielte Maßnahmen der Regulierung die aggregierte Nachfrage zu sichern. Krisen sind demnach das Produkt falscher Politiken und eines unregulierten Kapitalismus und nicht dessen innerer Widersprüche.
…und ihre Grenzen
Sowohl Neoklassik als auch keynesianistische Theorien blenden zwei wesentliche Aspekte aus: Erstens werden statische Zustände betrachtet und auf die Bedeutung von Zeitlichkeit vollkommen vergessen. Zweitens wird von technologischen Veränderungen abstrahiert. Alfred Marshall, einer der Begründer der neoklassischen Ökonomie, gab diese Lücken offen zu: „[Die Theorie] beachtete nicht, dass sich in der Realität Kapital kontinuierlich akkumuliert und sich Produktionstechniken ständig weiterentwickeln, wodurch Nachfragemuster nach Produkten, die als Inputs in die Produktion dienen, ständig verändert werden.“ „Zeit“, schreibt er, „ist die Quelle vieler der größten Schwierigkeiten in der Ökonomik.“7 Das Problem wurde dadurch „gelöst“, dass die klassischen WirtschaftswissenschaftlerInnen „das Element Zeit zu diesem Zeitpunkt [einfach] beiseite lassen,“8 wie sein Kollege Walras es ausdrückte.
Werden Zeit und technologischer Fortschritt berücksichtigt, stellt die Etablierung eines Gleichgewichts über Preismechanismen jedoch keinen reibungslosen Prozess mehr dar. Joseph Schumpeter, Ökonom der sogenannten Österreichischen Schule, betont deshalb, dass „sobald das Gleichgewicht durch irgendeine Störung zerstört wurde, der Prozess der Wiederherstellung desselben nicht so sicher, prompt und ökonomisch ist, wie uns dies die alte Theorie darstellt. […] Eben dieser Kampf um Adjustierungen könnte sogar zu einem System führen, das weiter weg von einem neuen Gleichgewicht liegt.“9
Diesen Unzulänglichkeiten der orthodoxen Wirtschaftstheorie setzen marxistische Ansätze eine Sichtweise entgegen, welche die kapitalistische Produktionsweise als ein dynamisches System ansieht, dessen inneres Gleichgewicht nie zustande kommt, weil inhärente Tendenzen und Bewegungsgesetze dieses ständig stören und zerstören.
Marxistische Krisentheorien
In der marxistischen Diskussion finden sich unterschiedliche Erklärungsansätze und Krisentheorien.10 Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 1940er Jahre wurden von sozialdemokratischer und kommunistischer Seite v.a. Überproduktions-, Unterkonsumptions- und Disproportionalitätstheorien in unterschiedlichen Facetten diskutiert.11 Seit den 1960er Jahren nimmt das Marxsche Gesetz des „tendenziellen Falls der Profitrate“ eine zentrale Stellung in der Diskussion ein12, während in den 1970er Jahren mit dem Aufkommen zahlreicher Arbeitskämpfe in Italien und England die sogenannte Profit-Squeeze-Theorie13 als Krisenmechanismus eingebracht wurde. Im Rahmen dieses Artikels ist nicht genügend Raum, um auf die einzelnen Krisentheorien und die Kritik an ihnen genauer einzugehen. Anzumerken ist jedoch, dass oft wichtige Teile und Versatzstücke der Marxschen Analyse zu allgemeinen Krisentheorien verarbeitet wurden, ohne sie einerseits zueinander in Bezug zu setzen und sie andererseits auf unterschiedlichen (Abstraktions-)Ebenen zu analysieren.
Bei Marx findet sich keine ausformulierte Krisentheorie, sondern eine Theorie der Akkumulation über die Zeit, bei der sich unterschiedliche Widersprüchlichkeiten und Krisentendenzen über die Zeit zuspitzen und in Krisen ausdrücken. Marx’ Ziel war es, zu zeigen, dass die inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise notwendigerweise periodisch Krisen produzieren, die sich in konkreten historischen Perioden in unterschiedlicher Art und Weise ausdrücken. „Im Prozess der Akkumulation werden alle Widersprüche und Spannungen der kapitalistischen Produktion und Zirkulation intensiviert. Ökonomische Krisen sind das notwendige Ergebnis des Akkumulationsprozesses.“14 Ausgehend von den Widersprüchlichkeiten im Akkumulationsprozess können Krisentendenzen und -mechanismen analysiert werden. Marx geht bei seiner Beschreibung des Akkumulationsprozesses in mehreren Schritten vor. Nachdem im ersten Band des Kapitals die Konzentration auf die Produktionssphäre und das Kapital als Ganzes gelegt und im zweiten die Zirkulationssphäre und das Verhältnis von Einzelkapitalien zueinander betrachtet werden, setzt er im weiteren Verlauf Produktion, Tausch und Verteilung von Mehrwert zueinander in Beziehung, um die tatsächlichen Bewegungen innerhalb des kapitalistischen Systems darstellen zu können.15 Erst in der Betrachtung des Akkumulationsprozesses als Einheit von Zirkulation und Produktion zeigen sich die zentralen Widersprüche.
Mehrwert wird produziert – die Herstellung der Mehrwertrate
Im ersten Band des Kapitals konzentriert sich Marx auf die Produktionssphäre. Hauptaugenmerk wird dabei auf das gesellschaftliche Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital gelegt. Der kapitalistische Produktionsprozess und damit auch der Akkumulationsprozess beruhen auf der Ausbeutung der ArbeiterInnen. Diese schaffen in einer gewissen Arbeitszeit eine gewisse Menge an neuem Wert (L). Der Teil, der über dem als Lohn (v) ausgezahlt Wert liegt, wird in der marxistischen Theorie als Mehrwert (m) bezeichnet (L=v+m). Die Kontrolle über den Produktionsprozess erlaubt es den KapitalistInnen, sich den von ArbeiterInnen produzierten Wert anzueignen, von dem (nach Abzug der Löhne) der Mehrwert, die Quelle des Profits, bleibt. Das Verhältnis zwischen der geschaffenen Mehrwertmasse (m) und den Löhnen (v) ist die Mehrwertrate oder Ausbeutungsrate.
Es bieten sich zwei Möglichkeiten, die Ausbeutung der ArbeiterInnen zu erhöhen und damit einen höheren Mehrwert zu erzielen: Die Steigerung des absoluten einerseits und des relativen Mehrwerts andererseits. Eine Steigerung des absoluten Mehrwerts, der insgesamt produzierten Mehrwertmasse, wird durch eine Verlängerung der effektiven Arbeitszeit erreicht, sei es durch einen verlängerten Arbeitstag oder eine Erhöhung der Arbeitsintensität (bspw. durch das Kürzenvon Pausen oder die Beschleunigung der Leistung der ArbeiterInnen). Die Steigerungsmöglichkeiten des absoluten Mehrwerts sind beschränkt, da sowohl die Intensität als auch die Länge der Arbeitszeit durch natürliche und gesellschaftliche Faktoren begrenzt sind. Eine Erhöhung des absoluten Mehrwerts ist prinzipiell ohne technologische Neuerungen möglich. In diesem Fall wird hauptsächlich durch die Anstellung neuer ArbeiterInnen Mehrwert akkumuliert. Da die Mehrwertrate aber auch vom Lohn abhängig ist, würde die Mehrwertrate sinken, wenn in Zeiten der verstärkten Akkumulation die Nachfrage nach Arbeitskräften und damit die Löhne steigen.
Den relativen Mehrwert können KapitalistInnen erhöhen, indem sie den Wert der Arbeitskraft verringern, also den Wert der Lebensmittel, die für die Reproduktion der Arbeitskraft nötig sind, senken.16 Das verlangt eine Produktivkraftsteigerung in jenen Sektoren der Wirtschaft, die entweder selbst Lebensmittel produzieren oder diese Sektoren direkt oder indirekt beliefern. Damit diese Senkungen wirksam werden, muss die Produktivkraft aber in vielen Sektoren der Wirtschaft steigen. Prinzipiell stehen unterschiedliche Optionen für eine solche Produktivkraftsteigerung zur Verfügung: Einerseits können organisatorische Umgestaltungen im Produktionsprozess, wie eine bessere Kooperation und ausgefeiltere Arbeitsteilungen, eine höhere Arbeitsproduktivität bringen. Die Haupttriebkraft für eine Produktivkraftsteigerung liegt aber in technologischen Umgestaltungen des Arbeitsprozesses mittels neuer Maschinen.17 Das hat neben der Steigerung des relativen Mehrwerts durch die Verringerung des Werts der Ware Arbeitskraft noch zusätzliche Vorteile für die Kapitalseite. Die zunehmende Verdrängung von ArbeiterInnen durch Mechanisierungsschritte erhöht die Kontrolle über den Produktionsprozess und wird damit zu einem wirksamen Mittel im Klassenkampf von oben. Gleichzeitig erlaubt die daraus resultierende Schaffung einer Reserve an Arbeitskräften, die ausbezahlten Geldlöhne unter dem eigentlichen Wert zu halten.18 Im Gegensatz zum absoluten Mehrwert hängt der relative Mehrwert nur von der technologischen Entwicklung ab. Dieser sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt.
Insgesamt stellt „die Entwicklung der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit de[n] mächtigste[n] Hebel der Akkumulation“ dar.19 Bevor wir jedoch die sich daraus ergebenden Widersprüche analysieren, müssen wir aus der Produktionssphäre treten, denn der in der Produktionssphäre geschaffene Wert muss erst als solcher realisiert werden. Dazu muss der aus der Ausbeutung der ArbeiterInnen entsprungene Wert zirkulieren.
Kapital zirkuliert
Allgemein startet ein Produktionsprozess damit, dass mittels Geld (G) Produktionsmittel und Arbeitskräfte als Waren (W) gekauft werden, mit deren Hilfe ein Produktionsprozess (P) gestartet wird. Die dabei produzierten Waren (W´) müssen dann für Geld (G´) verkauft werden. Mit Hilfe des eingenommenen Geldes kann der gesamte Produktionsprozess wieder von Neuem gestartet werden. Das Kapital durchläuft in diesem Prozess unterschiedliche Phasen und wechselt von Geldkapital in Warenkapital in produktives Kapital und wieder zurück in Waren- und Geldkapital. Kurz geschrieben: G – W … P … W´- G´. Das am Schluss eingenommene Geld (G´) sollte höher sein als der ursprünglich investierte Betrag. Die Differenz stellt den neu produzierten Mehrwert dar (G`-G=m).
Das oben erwähnte Gesetz von Jean Baptiste Say behauptet, dass die Zirkulation immer gesichert sei, weil jeder Kauf einen Verkauf und jeder Verkauf einen Kauf bedeute. Jedes produzierte Produkt schaffe sich also seinen eigenen Markt.20 Allerdings kann dieser Zyklus an den unterschiedlichen Punkten unterbrochen werden. Waren können unverkauft bleiben (W´-G´ ist unterbrochen), weil entweder zu viele Waren produziert wurden oder die effektive Nachfrage zu gering ist. KapitalistInnen können ihre Investitionen zurückhalten, weil sie bzgl. der Profitabilität ihrer Unternehmungen unsicher sind und sich weigern, Produktionsmittel zu kaufen und neue ArbeiterInnen anzustellen, oder weil sie ihr Geld woanders investieren (G´-W´ ist unterbrochen). Ebenso kann der Produktionsprozess durch Streiks und Arbeitskämpfe gestört werden. Voraussetzung und Kern der Marx‘schen Kritik am Say’schen Gesetz ist die Tatsache, dass Kapital die Form von Geld annimmt und dadurch als Zahlungsmittel fungiert, sowie die Möglichkeit zur Aufbewahrung von Wert liefert. In vorkapitalistischen Gesellschaftsformationenwaren Reichtum und Wert an materielle Güter gebunden, die entweder verderblich waren oder deren weitere Anhäufung ab eine bestimmten Punkt keinen Sinn mehr machte. In kapitalistischen Gesellschaftsformationen ist es demgegenüber möglich, Geld unbegrenzt zu horten und Käufe oder Verkäufe zurückzuhalten. Die Funktion von Geld als Zirkulationsmittel kommt in Konflikt mit seiner Funktion als Aufbewahrungsmittel.
Reproduktion des Gesamtkapitals
Im Kapitalismus existiert nicht nur der Zyklus eines Industriekapitals,
sondern es zirkulieren und reproduzieren sich alle Kapitalien, sprich das Gesamtkapital. In seiner Darstellung der Reproduktionsschemata versucht Marx, die Bedingungen für die Reproduktion der gesamten ökonomischen Aktivität offenzulegen. Er fasst dabei unterschiedliche Branchen in zwei Abteilungen zusammen. Abteilung 1 beinhaltet alle Kapitalien, die Produktionsmittel produzierten (also Rohstoffe, Zwischenprodukte, Maschinen etc.), während Abteilung 2 alle Güter, die der individuellen Konsumption dienen, produziert. Es kann mathematisch gezeigt werden, welche Bedingungen gelten müssen, um sowohl eine einfache Reproduktion – also die Reproduktion auf gleichbleibendem Niveau – als auch eine erweiterte Reproduktion – mit einer wachsenden ökonomischen Aktivität – sichern zu können.
Diese Schemata wurden oft so missverstanden, als ginge es darum zu zeigen, wie die harmonische Entwicklung eines geregelten, organisierten Kapitalismus funktionieren könnte, sobald gewisse Bedingungen erfüllt werden. Im Gegensatz zu einer solchen Interpretation versuchte Marx mit Hilfe der Schemata zu zeigen, wie „im Kapitalismus komplexe individuelle Prozesse im Kreislauf von Produktion und Tausch zusammengebracht werden müssen, um sich zu reproduzieren. Darin zeigt sich die Instabilität des Systems.“21 Zwei unterschiedliche Flüsse müssen dabei in Balance gebracht werden. Einerseits müssen die physischen Eigenschaften der einzelnen Produktionsprozesse berücksichtigt werden, andererseits müssen die Werte ausgedrückt in Geld übereinstimmen. Dabei müssen die Produktion und der Tausch einer bestimmten Quantität an Waren über die gesamte Ökonomie gesichert sein, und zwar sowohl innerhalb der zwei Abteilungen als auch zwischen den zwei Abteilungen. In der neoklassischen Theorie sollen Preismechanismen die Zuteilung der zwei Flüsse über Angebot und Nachfrage bewerkstelligen. In der Realität werden die genauen Proportionen für eine gleichmäßige Reproduktion immer wieder gestört und zerrüttet. Wie wir weiter oben gesehen haben, kann die Zirkulation von Einzelkapitalien an unterschiedlichen Stellen unterbrochen werden. Bricht die Zirkulation mehrerer Einzelkapitalien zusammen, kommt es zu gröberen Störungen. Die Verwobenheit einer moderner Wirtschaft mit komplexen Zuliefersystemen und Transporterfordernissen sowie die Rolle von Kredit und Geldflüssen zwischen unterschiedlichen Sektoren führen dazu, dass Probleme in einzelnen Sektoren zu Krisen in scheinbar unabhängigen Sektoren führen und sich Krisen in Einzelbranchen zu allgemeinen Krisen entwickeln können.
Krisenpotentiale
Mehrere Prozesse können dabei unter anderem wirksam werden: Eine erweiterte Reproduktion, also eine Reproduktion, bei der Einzelkapitalien akkumulieren und wachsen, bedeutet, dass ein höherer Output dieser Sektoren durch eine erhöhte effektive Nachfrage gedeckt sein muss. Dies bedeutet, dass eine erhöhte wirtschaftliche Aktivität in einem Sektor durch eine erhöhte wirtschaftliche Aktivität in anderen Sektoren ausgeglichen werden muss. Ist das nicht der Fall, können Waren nicht mehr abgesetzt, also Werte nicht mehr realisiert werden. Die effektive Nachfrage stützt sich nicht nur auf die Kaufkraft der ArbeiterInnen (und die Nachfrage nach Luxusgütern der KapitalistInnen), sondern vor allem auf die Investitionstätigkeit von KapitalistInnen, die neue Produktionsmittel anfordern.22 Die Investitionstätigkeit hängt stark von den Profiterwartungen ab, mit denen wir uns weiter unten auseinandersetzen. Die Kaufkraft der ArbeiterInnen hängt von zwei Faktoren ab. Erstens setzt die Höhe des Lohns der Kaufkraft Grenzen. Dabei treten die Erfordernisse des Produktionsprozesses, den Lohn möglichst niedrig zu halten, und die Erfordernisse der Realisation von Wert in einen Widerspruch. Andererseits muss die Kaufkraft erst mobilisiert werden, wobei die Ausweitung von Werbung eine entscheidende Rolle spielt.
Eine wachsende Wirtschaft geht einher mit sich verändernden Angebots- und Nachfragemustern und Preisschwankungen. (1) Ein Preisfall in einzelnen Sektoren führt zu niedrigeren Profiten. Unternehmen in diesen Branchen werden weniger Rohstoffe für ihre Produktion nachfragen und/oder ArbeiterInnen entlassen, wodurch Absatzschwierigkeit entstehen und die effektive Nachfrage nach Produkten anderer Bereichen sinkt. (2) Ebenso treibt eine gesteigerte Nachfrage nach Rohstoffen die Preise in den Rohstoff produzierenden Sektoren in die Höhe. Die Profite der davon abhängigen Branchen werden sinken. (3) Weiters kann bei Lieferengpässen – ausgelöst durch starke Preisschwankungen in einzelnen Sektoren, sowie durch ökologische Grenzen (Erschöpfung in Rohstoffen, Ernteausfälle, etc.) – die materielle Seite der Produktion und Reproduktion gestört sein.
Schließlich ist es möglich, dass aufgrund von Kreditklemmen die notwendigen Geldmittel für den Kauf von Waren – sowohl Produktionsmittel als auch Endprodukte – nicht aufgebracht werden können. Tatsächlich ist das Kreditsystem in Aufschwungzeiten ein Mittel, um Disproportionalitäten temporär auszugleichen, zumindest wenn die Profite relativ hoch sind. Kredite erlauben schnelle Kapitalflüsse zwischen den Sektoren und sind das Schmiermittel für eine wachsende Wirtschaft. Sobald Kredite ausbleiben, weil die Rückzahlung nicht mehr gesichert scheint, brechen Krisen umso heftiger aus. „Bank und Kredit werden […] zugleich das kräftigste Mittel, die kapitalistische Produktion über ihre eignen Schranken hinauszutreiben, und eins der wirksamsten Vehikel der Krisen und des Schwindels.“23
Die Reproduktionsschemata legen die Vielzahl der Punkte offen, an denen die Zirkulation zusammenbrechen kann. Die marxistische Krisentheorie hat allerdings den Anspruch, die Notwendigkeit von Krisen zu erklären. Krisen erscheinen in der Zirkulation des Kapitals, wenn der Kreislauf mehrerer Kapitalien durch Preisschwankungen, Überproduktionen, Absatzschwierigkeiten oder Kreditklemmen gehemmt wird. Erst wenn Zirkulation und Produktion als Einheit beschrieben werden, also der Akkumulationsprozess als Ganzes betrachtet wird, können die grundlegenden Widersprüche analysiert werden, die notwendig zu Krisen führen müssen. Marx versuchte die Widersprüchlichkeit der Kapitalakkumulation in dem „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und seiner gegenwirkenden Tendenzen“ zu fassen. Deshalb bezeichnete er es auch als „das wichtigste Gesetz der modernen Ökonomie“.24 Bei dem „Gesetz“ geht es zunächst nicht um die Darstellung empirischer Trends, sondern darum, wie abstrakte Tendenzen und daraus resultierende Gegentendenzen dynamisch interagieren. Das Gesetz selbst birgt seine gegenwirkenden Tendenzen, die aber auf unterschiedlichen Ebenen existieren. Die Tendenz zeigt die unmittelbaren Veränderungen von Produktivkraftsteigerungen in der Produktionssphäre, während über die Gegentendenzen die durch die Zirkulation vermittelten Konsequenzen in den Blick gelangen. Um nicht die Übersicht zu verlieren, betrachten wir zuerst die Tendenz selbst25, bevor wir die gegenwirkenden Mechanismen und die Interaktion beider Momente betrachten.
Der tendenzielle Fall der Profitrate: Die Tendenz
Bis jetzt haben wir die Kapitalien so behandelt, als würden sie friedlich nebeneinander koexistieren. In Wirklichkeit ist aber eine der wichtigsten Antriebskräfte der kapitalistischen Wirtschaft die Akkumulation als Konkurrenz zwischen Einzelkapitalien. Innerhalb eines Sektors wird der Konkurrenzkampf durch die Verbilligung der produzierten Waren geführt, die von der Arbeitsproduktivität abhängt. JedeR KapitalistIn versucht seine/ihre eigene Konkurrenzfähigkeit dadurch zu steigern, in dem er/sie die Produktivität seiner/ihrer ArbeiterInnen erhöht. Eine solche Erhöhung der Arbeitsproduktivität wird durch eine Veränderung der technischen und organisatorischen Gestaltung des Produktionsprozesses erreicht. Dabei bedeuten produktivitätssteigernden Technologien meist den Einsatz von mehr Produktionsmitteln (Maschinen, Rohstoffe, etc.) durch weniger ArbeiterInnen. Solche Veränderungen in den „physischen“ Eigenschaften des Produktionsprozesses versuchte Marx in der technischen Zusammensetzung des Kapitals zu fassen: dem Verhältnis zwischen Produktionsmitteln und angestellten Arbeitskräften. Im Prinzip bedeutet dies nichts anderes als eine Beschreibung des technologischen Set-Ups eines Produktionsprozesses in physischen Einheiten. Weil Waren im Kapitalismus einen Wert besitzen, resultiert daraus jedoch ein gewisses Verhältnis zwischen den Werten des konstanten Kapitals (Produktionsmittel) zu den Werten des variablen Kapitals (Löhne). Die technische Zusammensetzung ausgedrückt in Werten bezeichnet Marx als Wertzusammensetzung des Kapitals (c/v).
KapitalistInnen interessiert nicht die absolute Profitmasse, die sie nach einer Produktionsperiode erhalten, sondern die Wertsumme, die sie auf ihre ursprünglichen Investitionen zurückerhalten. Das Verhältnis zwischen Mehrwert (m) und den Investitionen in Produktionsmittel/konstantes Kapital (c) und Löhne/variables Kapital (v) gibt die Profitrate wieder [p=m/(c+v)]. Durch eine einfache mathematische Umformung (alles durch v dividert) ergibt sich die Profitrate als Verhältnis zwischen der Mehrwertrate (m/v) und der Wertzusammensetzung des Kapitals (c/v): p=(m/v)/[(c/v)+1]. Die Profitrate ist also von der Mehrwertrate (Zähler) und der Wertzusammensetzung des Kapitals (Nenner) abhängig. Der tendenzielle Fall der Profitrate resultiert nun daraus, dass Produktivitätssteigerungen eine höhere Wertzusammensetzung bedeuten und sich der Nenner so vergrößert. Die Profitrate fällt.
Gegenwirkende Tendenzen
Bisher haben wir die direkten Auswirkungen betrachtet, die eine gesteigerte Arbeitsproduktivität in der Produktionssphäre auf die Profitrate haben. Dabei haben sich die Warenwerte nicht geändert. Diese indirekten Auswirkungen müssen jetzt analysiert werden. Produktivitätssteigerungen in gewissen Sektoren führen dazu, dass die „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“26, die für die Produktion von Produktionsmitteln und Konsumptionsgütern nötigt ist, sinkt, und ihr Wert dadurch fällt. Dies hat zwei Auswirkungen: (1) die Kosten für das konstante Kapital (c) sinken und die Wertzusammensetzung (c/v) fällt. (2) Ein niedriger Wert von Konsumgüter bedeutet, dass der Wert der Arbeitskraft und also das variable Kapital (v) abnimmt, während die Mehrwertmasse (m) steigt; sowohl die Mehrwertrate (m/v) als auch die Wertzusammensetzung (c/v) steigen in unterschiedlichem Maße. Sowohl (1) als auch (2) haben den Effekt einer erhöhten Profitrate.
Nimmt man diese Gegentendenzen mit den Auswirkungen der Tendenz zusammen, kann geschlossen werden, dass die Bewegungen der Profitrate nicht determiniert sind, weil zwar die Bewegungsrichtungen der zwei Komponenten Mehrwertrate und Wertzusammensetzung analysiert werden können, aber nicht deren absolutes Ausmaß.27 Das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und seiner gegenwirkenden Tendenzen“ erscheint aus dieser Perspektive zunächst analytisch wertlos. Dies gilt allerdings nur, solange von Konkurrenz, ungleichen (technologischen) Entwicklungen und zeitlichen Dynamiken abstrahiert wird.
Konkurrierende Kapitalien
Im Gegensatz zu bürgerlichen spielt in marxistischen Wirtschaftstheorien Konkurrenz nicht die Rolle eines ausgleichenden Mechanismus, sondern ist verantwortlich für ungleichzeitige und bruchhafte Entwicklungen. Marx unterscheidet zwei unterschiedliche Arten von Konkurrenz; die (1) intrasektoraleKonkurrenz umfasst Kapitalien innerhalb einer Branche, die gleiche Güter produzieren, während (2) die intersektorale Konkurrenz zwischen Kapitalien in unterschiedlichen Branchen wirkt.28
Die intrasektorale Konkurrenz erklärt, warum KapitalistInnen überhaupt produktivitätssteigernde Technologien einführen, obwohl dadurch die durchschnittliche Profitrate gesenkt wird.29 Neben der oben erwähnte Notwendigkeit, durch eine Steigerung des relativen Mehrwerts die Mehrwertrate zu erhöhen und den Lohn zu drücken, liegt der entscheidende Grund in der Konkurrenz zwischen Einzelkapitalien innerhalb eines Sektors. Anders als in der Darstellung der repräsentativen Firma in der neoklassischen Theorie, die stellvertretend für das technologische und organisatorische Setting einer Branche steht, finden technologische Weiterentwicklungen in der Realität mit ungleichen Geschwindigkeiten und Dynamiken statt. Produktivitätssteigerungen werden in einer Branche nicht von allen Firmen auf einmal, sondern von einzelnen innovativen Unternehmen zuerst eingeführt. Die Innovationen erlauben es Firmen, ihre Produkte in kürzerer Zeit oder mit weniger Inputs zu produzieren, also die Stückkosten zu senken und dadurch Extraprofit zu generieren. Ihre individuelle Profitrate wird steigen, weil die in diesem Arbeitsprozess produzierten Güter denselben oder einen marginal geringeren Wert besitzen als zuvor. Es kommt zu einer Umverteilung des produzierten Mehrwerts von den unproduktiveren zu den produktiveren Kapitalien. Dieser Mechanismus läuft häufig über die Preiskonkurrenz ab, indem innovative Firmen die Marktpreise der Produkte unter deren eigentlichen Wert drücken. Das Abweichen der Preise unter ihren – durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit festgesetzten – Wert und die Möglichkeit eines Extraprofits erhöhen den Druck auf diejenigen Kapitalien, die noch mit den alten Produktionsmethoden arbeiten. Diesem Konkurrenzdruck ausgesetzt, führen nun mehr und mehr KapitalistInnen die neuen Technologien ein. Der Wert der Waren sinkt auf das Maß, das durch die neue Produktionsart erreicht werden kann und der Vorteil der innovativen KapitalistInnen schwindet. Die „NachzüglerInnen“ sind bis zuletzt gezwungen, sich den neuen Produktionsbedingungen anzupassen, um nicht vom Markt verdrängt zu werden. Im Laufe der Etablierung der neuen Technologien verringert sich auch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und damit die Warenwerte; eine neue sektorale Durchschnittsprofitrate pendelt sich auf einem neuen niedrigeren Niveau ein, wobei dieses „Einpendeln“ von weiteren technologischen Veränderungen immer wieder unterbrochen werden kann. Ungleiche Entwicklungen in der Produktivkraftentwicklung auf Grund intrasektoraler Konkurrenz resultieren also in unterschiedlichen individuellen Profitraten, die Motivation für individuelle produktivkraftsteigernde Innovationen sind.
Die Konkurrenz zwischen Kapitalien aus unterschiedlichen Branchen führt hingegen zu einem Angleichen divergierender Profitraten. Ursache dafür sind Kapitalbewegungen von unprofitableren Sektoren in profitablere Wirtschaftszweige. Wieder kommt es zu einer Umverteilung von Mehrwert, weil durch Kapitalbewegungen in produktive Sektoren der Preis in diesen Sektoren steigt, während er in unproduktiven Sektoren fällt. Es kommt zu einem tendenziellen Ausgleich der sektoralen Profitraten und der Etablierung einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate innerhalb der gesamten Wirtschaft.
Zusammenfassend führt die Konkurrenz zwischen Kapitalien also zu technologischen Fortentwicklungen und einem temporären Extraprofit für individuelle KapitalistInnen. Die Etablierung der neuen Technologien zieht jedoch über die Konkurrenz auch die Formierung neuer, niedrigerer Warenwerten nach sich. Diese zwei Prozesse müssen jetzt in ihrer zeitlich ungleichen Abfolge analysiert werden.
Akkumulationsprozess in der Zeit
Um die zeitliche Dynamik des Akkumulationsprozesses zu fassen, unterschied Marx zwischen zwei unterschiedlichen Wertzusammensetzungen des Kapitals. Die organische Zusammensetzung30 des Kapitals beinhaltet die direkten unmittelbaren Auswirkungen einer gesteigerten Produktivität im Produktionsprozess, während die Wertzusammensetzung die indirekten Auswirkungen berücksichtigt, also die Veränderungen auf Grund der gegenwirkenden Tendenzen.31 Veränderungen in diesen zwei Zusammensetzungen finden aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Durch Investitionen zu Beginn eines Produktionsprozesses werden Produktionsmittel und Löhne zu alten Werten gekauft. Eine Veränderung der technischen Zusammensetzung spiegelt sich sofort in einer höheren organischen Zusammensetzung wieder. Die gegenwirkenden Tendenzen, sowohl die Entwertung des konstanten als auch des variablen Kapitals, beruhen auf der Entstehung neuer Werte für Produktionsinputs. Diese finden zu einem späteren Zeitpunkt, nach dem Prozess der Zirkulation, statt. Dafür müssen aber erst die Veränderungen in den anderen Produktionsstätten und Produktionszweigen wirksam werden, die unter den Bedingungen der Akkumulation unter Konkurrenz ablaufen. „Eine Veränderung in der technischen Zusammensetzung resultiert in der Entwertung von Waren, aber diese muss die Konkurrenz zwischen den Kapitalien abwarten. Sofort zu neuen Werten zu wechseln, heißt den Prozess der Wertformierung vorzugreifen, dem Akkumulationsprozess selbst. […] Der Prozess der Akkumulation beinhaltet die Einleitung der Zirkulation des Kapitals auf Basis eines Sets an Werten und die Generation eines neuen Sets von Werten, die die KapitalistInnen an Ende des Kreislaufs konfrontiert.“32 Betrachten wir noch einmal einen Wirtschaftssektor mit unterschiedlichen Produktivitätsniveaus. Innovative Firmen haben in neue Maschinen investiert, um einen temporären Extraprofit zu erzielen. Sie stehen vor zwei Problemen: Erstens können durch die sukzessive Entwertung der Waren im Zuge der Etablierung neuer Technologien ihre ursprünglichen Investitionen weniger rentabel verwertet werden. Der erzielte Extraprofit kann dieses Problem zwar zum Teil aufheben. Allerdings verschärfen Investitionen in fixes Kapital, sprich Kapital, das lange in der Produktionssphäre verweilt und seinen Wert nur nach und nach an das Produkt weitergibt, dieses Problem. Viele große Unternehmungen lassen sich aber erst durch die Investitionen in einen gewissen Stock an fixem Kapital (z.B. Fabrikhallen und Maschinen) durchführen. Dieser Stock wurde durch Investitionen zu alten Warenwerten angeschafft, während sich dessen Wert über mehrere Produktionsperioden mit ständig neuen Warenwerten realisieren muss.
Dasselbe Phänomen zeigt sich auch bei nicht-innovativen Firmen, die damit konfrontiert sind, dass ihre Produktionsmethoden nicht mehr dem gesellschaftlichen Standard entsprechen. Ihre Produktionskosten bleiben auf dem alten Niveau, während gleichzeitig der Wert ihrer produzierten Waren sinkt. Ihre individuelle Profitrate wird daher sinken. Investitionen in fixes Kapital können nicht mehr oder nur schlecht realisiert werden. Während fixes Kapital einen kraftvollen Antrieb für Akkumulation darstellt und Investitionsmöglichkeiten für bereits akkumuliertes Kapital bietet, wird gleichzeitig Kapital in physischen Produktionsanlagen sprichwörtlich fixiert. Dadurch wirkt sich die zuvor als gegenwirkende Tendenz beschriebene Entwertung von Kapital zusätzlich negativ auf die durchschnittliche Profitrate aus.33 Hinzu kommt, dass die Flexibilität des Kapitalismus, zwischen Sektoren mit unterschiedlicher Profitabilität hin- und her zu wechseln, verringert wird.
Die ständige Entwertung der produzierten Waren aufgrund von Produktivitätssteigerungen steht also der notwendigen Realisierung von Waren zu ihren „alten“ Werten im Zirkulationsprozess gegenüber. Was Marx mit dem „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und seinen gegenwirkenden Tendenzen“ fassen wollte, ist eben diese Widersprüchlichkeit zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den Produktionsverhältnissen.34 Das Eigeninteresse individueller KapitalistInnen, gefangen im Konkurrenzkampf, zwingt zur ständigen Revolution der technologischen und organisatorischen Gestaltung des Arbeitsprozesses, was die Realisierung von Wert und die weitere Akkumulation gefährdet. Die ständigen Veränderungen der Warenwerte stören zusätzlich die Zirkulation des Kapitals als Ganzes, weil die für eine gleichmäßige erweiterte Reproduktion nötigen Verhältnisse kontinuierlich verändert und umgeworfen werden.
Krise als temporäre Lösung
Die im Produktionsprozess angelegten Widersprüche finden ihren Ausdruck in unterschiedlichen, konkreten Erscheinungsformen der Krise. Sie „befördern Überproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung.“35 Je nach historischer Situation artikulieren sich die beschriebenen Widersprüche in unterschiedlichen Krisenphänomenen, die sich als eine Unterbrechung in der Zirkulation des Kapitals darstellen. Aufbauend auf den bisherigen Überlegungen lassen sich diese Erscheinungsformen von Krisen theoretisch fassen.
Fällt die Profitabilität in mehreren unterschiedlichen Sektoren, kommt es durch die Ausbildung einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate zu einem Fall der Profitabilität in der Ökonomie allgemein. Investitionsentscheidungen werden aber hauptsächlich durch Profiterwartungen gesteuert. Erwarten KapitalistInnen, dass ihre Investitionen keinen Gewinn erwirtschaften, werden diese zurückgehalten. Wir befinden uns in einer Situation, in der eine Masse an akkumuliertem Kapital schwindenden Optionen zur profitablen Kapitalverwertung gegenüberstehen: einer Situation der Überakkumulation von Kapital. Eine Überakkumulationskrise kann sich auf unterschiedliche Arten ausdrücken36: (1) Die Erhöhung des materiellen Outputs bei gleichzeitigem Fall der Warenwerte führt zu Übersättigung von Märkten und einem Überangebot von Waren. Disproportionalitäten und Über- bzw. Unterkonsumptionskrisen sind die Folge. (2) Überkapazitäten im Produktionsprozess können entstehen, weil fixes Kapital brach liegt oder nicht vollständig ausgenutzt wird. (3) Wie wir schon weiter oben gesehen haben, muss Geldkapital nicht sofort investiert werden. Wenn die Profitabilität eines Produktionsprozesses gering ist, kann das Geld anderweitig investiert werden. Je höher der erwartete Zinssatz oder die Rendite aus spekulativen Anlagen, desto eher wird Kapital in nicht produktives Kapital investiert. Schließlich äußern sich eine verminderte Profitabilität und geringere Profiterwartungen in den oben erwähnten Kreditklemmen, welche die Zirkulation des Kapitals und den Ausgleich von intersektoralen Profitraten behindern.
All diese Effekte führen dazu, dass die am wenigsten konkurrenzfähigen und unproduktivsten Kapitalien Bankrott gehen, die Reproduktion ins Stocken gerät und die Arbeitslosigkeit steigt. Die Widersprüche, die sich in den Phasen des Aufschwungs angehäuft haben, zeigen sich in plötzlich auftretenden Krisen. Die Krise zerrüttet aber nicht nur das
Leben vieler Menschen, sondern ist gleichzeitig ein reinigendes und stabilisierendes Moment für die kapitalistische Wirtschaftsordnung. „Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.“37 Der Bankrott vieler Kapitalien bewirkt, dass Kapital rasch und umfassend entwertet und zerstört wird. Das erlaubt anderen Kapitalien, Ausrüstung und Produktionsstätten billig zu erwerben. Ohne die Last früherer Investitionen tragen zu müssen, können wieder profitable Investitionen getätigt werden; der Krise folgt ein neuer Aufschwung.
Die konkreten Formen, in denen sich die Widersprüche im Akkumulationsprozess in Krisen artikulieren, sind von den Phasen kapitalistischer Entwicklung und bestimmten (sich verändernden) Faktoren abhängig. Beispiele hierfür wären: die Größe der betroffenen Kapitalien, die Rolle der Finanzsphäre, die Möglichkeiten der Erhöhung der Ausbeutungsrate, die Rolle staatlicher Investitionen, usw. Dementsprechend reichen die hier beschriebenen abstrakten Dynamiken nicht aus, um die konkreten Krisenabläufe genau erfassen zu können.
Langfristig Dynamiken und historische Entwicklungen
Der zweite Teil dieser Serie wird deshalb versuchen, die Entwicklungen des Nachkriegskapitalismus in groben Zügen nachzuzeichnen. Die Nachkriegsjahre waren insbesondere geprägt von einem langanhaltenden, wirtschaftlichen Aufschwung. Da dieser der hier beschriebenen Instabilität der kapitalistischen Produktionsweise auf den ersten Blick widerspricht, wird es notwendig sein, sich den Bedingungen dieses Aufschwungs genauer zu widmen. Die weiter oben dargelegten Grundlagen marxistischer Wirtschaftstheorie können ebenso dabei helfen, das Eintreten der Krise in den 1970er Jahren und die darauf folgende Stagflationsphase sowie die wirtschaftlichen Veränderungen im Zuge von Globalisierung und Neoliberalismus zu erklären.
Eine Analyse der 2008 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise wird im dritten Teil dieser Serie Anlass sein, sich nicht nur mit dem Verlauf der aktuellen Krise auseinanderzusetzen, sondern auch verstärkt den Einfluss von Banken und Kreditinstitutionen, sowie, auf einer abstrakteren Ebene, die Rolle von Geld und fiktivem Kapital in den Blick zu bekommen.
Philipp Probst studiert Humanökologie in Wien und ist aktiv bei Perspektiven.
Anmerkungen
1 vgl. The Washington Times, 24.10.2008, unter: http://www.washingtontimes.com/news/2008/oct/24/congress-rips-greenspan-for-crisis
2 vgl. Harvey, David: The Enigma of Capital, London 2010, S. vii
3 Trotzki, Leo: The world economic crisis and the new tasks of the Communist International. The First Five Years of the Communist International, Volume I (1924), London 1973, unter: http://www.marxists.org/archive/trotsky/1924/ffyci-1/index.htm
4 Neben diesen zwei Hauptströmungen gibt es diverse andere Richtungen. Die radikalen KeynesianistInnen zum Beispiel knüpfen an jenen radikaleren Elementen der keynesianistischen Theorie an, die zum Teil Schnittstellen zu marxistischen Krisentheorien haben (vgl. Harcourt, Geoffrey/Kerr, Prue:
Joan Robinson, London 2009). Die österreichische Schule, deren bekannteste Vertreter Joseph Schumpeter und Ludwig von Mises sind, sehen in den Krisen eine schöpferische Zerstörung, die den Grundstein für den dynamischen Fortschritt im Kapitalismus legt (vgl. Schumpeter, Joseph: Capitalism, Socialism and Democracy, London 1950). In den letzten Jahren haben sich vermehrt heterodoxe Ökonomiken gebildet, die Bezug nehmen auf Erkenntnisse der Komplexitäts- und Evolutionsforschung. Krisendynamiken werden dabei allerdings oft als naturgegebene und jedem System inhärente Eigenschaften angesehen.
5 Walras, Leon: Elements of Pure economics, 1889, S. 381. Zit. nach Harman, Chris: The crisis of bourgeois economics, in: ders.: Selected Writings, London 2010, S. 174
6 vgl. Süddeutsche Zeitung, 15.04.2008, unter: http://www.sueddeutsche.de/geld/boerse-und-testosteron-wall-street-bitte-dopen-1.180150
7 Marshall, Alfred: The Principles of Economics, 1936, S.109. Zit. nach Harman 2010, a.a.O., S. 173
8 Walras, Leon, a.a.O., S. 242. Zit. nach Harman 2010, a.a.O., S.173
9 Schumpeter 1950, a.a.O., S. 103
10 Ein guter Überblick über die Geschichte marxistischer (und anderer) Krisentheorien findet sich bei Clarke, Simon: Marx’s Theory of Crisis, Houndmills 1994 sowie Shaikh, Anwar: Eine Einführung in die Geschichte
der Krisentheorien, in: Prokla, 30 (1978), S. 3–42
11 Zur Kritik an unterschiedlichen Versionen der Unterkonsumptionstheorien vgl. Shaikh 1978, a.a.O. sowie Bleaney, Michael: Underconsumption Theories: A History and Critical Analysis, New York 1976; zu Disproportionalitätstheorien vgl. Carchedi, Guglielmo: Frontiers of Political Economy, London 1991, S. 179–186. Die bekanntesten heutigen Vertreter von Unterkonsumptionstheorien stützen sich auf die Arbeiten von Paul A. Baran und Paul Sweezy. Für diese ist die Nachkriegswirtschaft von Stagnationstendenzen geprägt. Ihre Begründung ist, dass Monopole durch Manipulation von Preisen übermäßige Profite (surplus profits) erzielen können, die das System nicht mehr absorbieren kann, weil die Konsumptionskraft der Gesellschaft zu gering ist. Die Folge sind Überkapazitäten, nachlassende Investitionen und Stagnation. Nur durch das Wachstum von „Waste-areas“,
also Produktion für unproduktive Bereiche wie Waffen, Werbung oder auch einer wachsenden Finanzsphäre können die überschüssigen Profite absorbiert werden (vgl. Baran, Paul A./Sweezy, Paul: Monopoly Capital, New York 1968 sowie Foster, Bellamy John/Magdoff, Fred: The Great Financial Crisis – Causes and Consequences, New York 2009). Kritik an dieser Position findet sich in Carchedi 1991, a.a.O. S. 185–186 sowie Choonara, Joseph: Marxist accounts of the crisis, in: International Socialism Journal,
123 (2009), S. 93–96
12 vgl. v.a. Yaffe, David: The Marxian Theory of Crisis, Capital and the State, in: Bulletin of the Conference of Socialist Economists, 1972 (Winter), S. 5–58. Eine andere Herangehensweise findet sich bei Weeks, John: Capital and Exploitation, New Jersey 1981; Harman, Chris: Zombie Capitalism, London 2009; Fine, Ben/Saad-Filo, Alfredo: Marx’s Capital, London 2010; sowie weiter unten in diesem Artikel.
13 Die Profit-Squeeze-These geht davon aus, dass in Zeiten des Aufschwungs die Verhandlungsposition von ArbeiterInnen stärker wird, da sich die Nachfrage nach Arbeitskraft erhöht. Die Löhne steigen und verringern die Profite bis zu dem Grad, an dem die Akkumulation gestört wird. Die Argumentation findet sich bei Glyn, Andrew/Sutcliff, Robert: British capitalism, workers
and the profit squeeze, London 1972. Die Kritik besteht hauptsächlich darin, dass Akkumulation die Lohnrate bestimmt und nicht umgekehrt. Erst im Moment des Eintretens der Krise verschärfen zu hohe Löhne die Krise zusätzlich (vgl. auch Carchedi 1991, a.a.O., S. 188 und Shaikh 1978, a.a.O. sowie Harvey, David: Limits to Capital, London 2006, S. 52–54).
14 Weeks, John: Capital and Exploitation, New Jersey 1981, S. 189
15 Diese Trennung in die einzelnen Teile ist nicht so strikt. So ist in der Marxschen Analyse des Werts eine gemeinsame Betrachtung von Zirkulation und Produktion notwendig. Allerdings können grob diese Schwerpunkte zwischen den einzelnen Bänden unterschieden werden.
16 v entspricht dem Wert, der für die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nötig ist. Wird v verringert, erhöht sich, bei gleichbleibender Größe des geschaffenen Werts L – der Mehrwert m.
17 Oft sind die Steigerung des absoluten und des relativen Mehrwerts in der Realität nicht klar voneinander zu trennen. So ermöglichte z.B. die Einführung des Fließbands ebenso die Erhöhung des absoluten Mehrwerts durch eine effizientere Arbeitsweise, wie sie durch die großflächige Senkung der
gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit für die Produktion von Lebensmitteln auch den relativen Mehrwert enorm ansteigen ließ.
18 Der Kampf von ArbeiterInnen gegen die Mechanisierung des Arbeitsprozesses war stets Teil des Klassenkampfs. Die Motivation war dabei nicht die Ablehnung neuer Technologien per se, sondern das Ziel, durch „kollektive Verhandlung durch Aufruhr“ Druck auf KapitalistInnen auszuüben, um so Forderungen durchzusetzen und drohenden Arbeitslosigkeit abzuwenden. Vgl. Hobsbawm, Eric: The Machine-Breakers, in: ders.: Uncommon People. Resistance, Rebellion and Jazz, London 1999, S. 6–22
19 Marx, Karl: Das Kapital. Band 1 (MEW 23), Berlin 1962, S. 650
20 Harman 2009, a.a.O., S. 55–56
21 Choonara, Joseph: Unravelling Capitalism. A Guide to Marxist Political Economy, London 2009, S. 61
22 Die effektive Nachfrage setzt sich also aus der Endnachfrage nach Konsumgüter aus Abteilung 2 und der Nachfrage nach Produktionsmittel aus Abteilung 1 zusammen.
23 Marx, Karl: Das Kapital. Band 3 (MEW 25), Berlin 1983, S. 621
24 Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (MEW 42), Berlin 1953, S. 641
25 Die folgenden Ausführungen stützen sich zum Großteil auf Weeks 1981, a.a.O.; Harman 2009, a.a.O. sowie Fine/Saad-Filho 2010, a.a.O..
26 Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist das Maß für den Wert von Waren. Das „gesellschaftlich notwendig“ bezieht sich dabei auf ein bestimmtes Produktivitätsniveau einer Ökonomie, mit der Waren produziert werden (vgl. Heinrich, Michael: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, Stuttgart 2005 sowie Saad-Filho, Alfredo: The Value of Marx, London 2002).
27 vgl. Heinrich 2005, a.a.O., S. 148–153
28 vgl. Fine/Saad-Filho 2010, a.a.O., S. 71
29 Oft wird argumentiert, dass KapitalistInnen nur dann technologische Neuerungen einführen, wenn das ihre individuelle Profitrate erhöht. Eine höhere individuelle Profitrate hat aber auch eine höhere allgemeine Profitrate zufolge (vgl. Okishio, N: A Formal Proof of Marx’s Two Theorems, in: Kobe University Economic Review, 18 (1972), S. 1–6). Dabei wird aber von intersektoraler Konkurrenz und ungleicher technologischer Entwicklung abstrahiert (vgl. Harman 2009, a.a.O., S. 68–75 sowie Fine/ Saad-Filho 2010, a.a.O., S. 104–107).
30 „Die Zusammensetzung des Kapitals ist in zweifachem Sinn zu fassen. Nach der Seite des Werts bestimmt sie sich durch das Verhältnis, worin es sich teilt in konstantes Kapital oder Wert der Produktionsmittel und variables Kapital oder Wert der Arbeitskraft, Gesamtsumme der Arbeitslöhne. Nach der Seite des Stoffs, wie er im Produktionsprozeß fungiert, teilt sich jedes Kapital in Produktionsmittel und lebendige Arbeitskraft; diese Zusammensetzung bestimmt sich durch das Verhältnis zwischen der Masse der angewandten Produktionsmittel einerseits und der zu ihrer Anwendung erforderlichen Arbeitsmenge andrerseits. Ich nenne die erstere die Wertzusammensetzung, die zweite die technische Zusammensetzung des Kapitals. Zwischen beiden besteht enge Wechselbeziehung. Um diese auszudrücken, nenne ich die Wertzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt:
die organische Zusammensetzung des Kapitals. Wo von der Zusammensetzung des Kapitals kurzweg die Rede ist, ist stets seine organische Zusammensetzung zu verstehn.“ (MEW 23 1962, a.a.O., S. 640)
31 Fine/Saad-Filho 2010, a.a.O., S. 87–92
32 Weeks 1981, a.a.O., S. 194
33 Dabei kommt auch die erhöhte Umschlagszeit des Kapitals zum Tragen, die sich negativ auf die Profitrate auswirkt.
34 „Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, daß die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschloßenen Mehrwert, auch abgesehn von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert
als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte.“ (MEW 25 1983, a.a.O., S. 259)
35 MEW 25 1983, a.a.O., S. 252
36 Harvey 2006, a.a.O., S. 195
37 MEW 25 1983, a.a.O., S. 259