Wien ist eine migrantische Stadt. Die Stadtpolitik reagiert darauf in jüngerer Vergangenheit mit diversitätspolitischen Maßnahmen. Dass diese nichts Grundlegendes an der Ausgrenzung und rassistischen Diskriminierung von MigrantInnen ändern, zeigen Assimina Gouma, Petra Neuhold, Paul Scheibelhofer und Gerd Valchars von der Forschungsgruppe Kritische Migrationsforschung [KriMi].
„Was meint man, wenn man vom ‚Roten Wien‘ spricht?“ ist eine der Fragen des Wiener Einbürgerungstests, den MigrantInnen seit 2005 bestehen müssen, wenn sie die österreichische StaatsbürgerInnenschaft annehmen wollen. Aufs Spiel gesetzt wird der österreichische Pass, wenn nicht „Soziale Reformen und Maßnahmen im sozialistischen Wien der Zwischenkriegszeit“, sondern etwa „Die absolute Mehrheit der SPÖ im Wiener Gemeinderat“ geantwortet wird. Die Fangfrage spielt dabei mit der Möglichkeit, dass die politischen Machtverhältnisse in Wien die Stadt auch heute als „rot“ qualifizieren könnten. Diese Antwort ist freilich falsch.
Die Entscheidung der Landesregierung, diese Einbürgerungsfrage zu stellen, legt den Schluss nahe, dass das Rote Wien der Zwischenkriegszeit für das heutige Selbstbild der Stadt weiterhin Relevanz besitzt. Fragen über Geschichte und Aktualität von Nationalismus und Antisemitismus, über Operation Spring und die Kriminalisierung von MigrantInnen, Schwarzen Menschen und Roma werden hingegen nicht gestellt. Die Ausblendung von Wissen über Rassismus sowie der Realitäten von MigrantInnen wird damit zur zynischen Voraussetzung für die Erlangung der österreichischen StaatsbürgerInnenschaft.
Der nostalgische Blick der Stadtregierung auf das linke Reformprojekt Rotes Wien 1 verstellt ferner den Blick auf die Mühen der Gegenwart: Diversity Management heißt das aktuelle Konzept, das nicht nur Ordnung in Migrationsfragen herbeischaffen, sondern auch den kosmopolitischen Willen der Stadt glaubhaft machen soll. Wien will sich dabei im Netzwerk der Global Cities[ii] positionieren. Im Gegensatz zu früheren (Integrations-)Konzepten wird „Differenz“ nunmehr nicht abgelehnt, sondern unternehmerisch für den Standortvorteil im internationalen Wettbewerb genutzt.
Anhand von vier Themenbereichen, „sozialer Wohnbau“, „Wahlrecht“, „mediale Partizipation und Repräsentation“ sowie „Sicherheitspolitik“ soll im Folgenden die Wiener Stadtpolitik in Hinblick auf ihre soziopolitische und antirassistische „Integrationsfähigkeit“ geprüft werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Kontinuitäten, Verschiebungen und Widersprüche der städtischen Regierung von Migration gerichtet. Im Rahmen aktueller diversitätspolitischer Maßnahmen wird Migration zwar durchaus als „Wert“ propagiert, doch bleiben kulturalisierende Differenzkonstruktionen – die Unterscheidung zwischen „Wir“ und „Ihnen“, die zwischen „guten“ und „bösen“ MigrantInnen – genauso erhalten wie die politische Entrechtung der MigrantInnen. Entlang nationalstaatlich formulierter Kalküle wird bestimmten MigrantInnengruppen dabei „nützliche Differenz“ zugeschrieben, die es auszuschöpfen gilt, während andere Gruppen ins Fadenkreuz kriminalisierender Sicherheitspolitiken geraten.
Wien – Wiege des sozialen Wohnbaus?
Der soziale Wohnbau ist das linke Prestigeprojekt der Stadt Wien. Die Stadt rühmt sich bis heute für die nachhaltige sozialintegrative Wirkung des kommunalen Wohnbaus, durch den Wien, im Gegensatz zu anderen Großstädten, brisanten Stadtentwicklungen wie „Ghettobildung“ entgegengewirkt hätte.
Wirft man jedoch aus der Perspektive der Migration einen kurzen Blick zurück auf die Wohnungsmarktpolitik der Nachkriegszeit, so verliert die hegemoniale Glamourgeschichte des sozialen Wohnbaus schlagartig ihren Glanz. Die Anwerbephase von so genannten Gastarbeitern[iii] in den 1970er Jahren wurde von der Vorstellung des Rotationsprinzips getragen. So sollten die angeworbenen MigrantInnen nach einigen Monaten oder Jahren – je nach österreichischer Arbeitsmarktlage – wieder in ihre „Heimat“ zurückkehren. Gesundheitsschädliche und überfüllte Barackenhaussiedlungen in der Nähe des Arbeitsplatzes erfüllten den Zweck der ArbeitgeberInnen und erschienen für die „Gastarbeiter“ angemessen. Der von der Regierung und den Sozialpartnern erdachte Rotationsplan erfüllte sich jedoch nicht. Viele MigrantInnen entschieden sich, in Wien zu bleiben – nicht zuletzt deshalb, weil die Löhne geringer als erwartet ausfielen und für den geplanten Aufbau einer neuen Existenz in der alten Heimat nicht ausreichten. Vom Zugang zu Gemeindebauten bis 2006 weitgehend ausgeschlossen[iv], waren MigrantInnen dabei auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen.[v]
Das Brunnenviertel – Diversity sells?
Die sich daraus ergebenden Dynamiken lassen sich etwa anhand der Entwicklungen des im traditionellen ArbeiterInnenbezirk Ottakring gelegenen Brunnenviertels nachzeichnen. In den 1970ern zogen besser verdienende ArbeiterInnen zunehmend an den Stadtrand oder in neue Gemeindebauten. ArbeitsmigrantInnen rückten in die frei gewordenen, mehrheitlich renovierungsbedürftigen und baufälligen Altbauwohnungen nach, in die – unter anderem aufgrund der Mietpreisbindung – über Jahrzehnte nicht investiert wurde. Aus Angst vor „Verslumung“ und „Ghettobildung“ führte die SPÖ Anfang der 1980er Jahre Halbjahres-Mietverträge ein, die auch die Höhe der Miete deregulierten. In der Folge kauften SpekulantInnen Kleinwohnungen auf und vermieteten diese – häufig zu dreifachen Mietpreisen und überteuerten Ablösen – an MigrantInnen, die von diesem Wohnungssegment abhängig waren.[vi]
In den 1990er Jahren sah sich die Stadtregierung aufgrund zunehmender Konflikte mit starkem öffentlichem Druck konfrontiert. Infolgedessen und einer Entspannungsphase am Wohnungsmarkt setzte sie im Rahmen so genannter sanfter Stadterneuerungen erste „Integrationsmaßnahmen“ mit dem Ziel der „gleichmäßigen Verteilung“ und „interkulturellen Vermittlung“. Der Zugang zu Genossenschaftswohnungen wurde erleichtert, alte heruntergekommene Wohnungen saniert und über den Wiener Integrationsfonds auch an Nicht-StaatsbürgerInnen vermittelt.[vii] Dadurch und durch die Realisierung interkultureller Wohnprojekte sollte eine „Vermischung“ der Stadtbevölkerung erzielt werden.[viii] Darüber hinaus investierte die Stadt Wien, mitunter in Form EU-geförderter Projekte, in die Aufwertung so genannter Problemviertel. So wird beispielsweise „kulturelle Diversität“ im Sinne von Diversity sells als „Branding“ und „Imagestrategie“ des Brunnenviertels inszeniert. Unter Einbindung von BewohnerInnen, der Stärkung von Kreativwirtschaft und so genannten ethnischen Ökonomien wird dem Stadtteil ein gepflegtes und „ungefährliches“ Multikulti-Image verliehen und er für TouristInnen sowie (inter-)nationale InvestorInnen attraktiv gemacht. Die Förderung erfolgreicher ethnischer Ökonomien und die Produktion kommodifizierbarer kultureller Differenz stehen dabei einer Verdrängung armer, zumeist migrantischer Bevölkerungsteile aus dem nunmehr symbolisch und ökonomisch aufgewerteten Brunnenviertel gegenüber.
Wien als offizielle Einwanderungsstadt
Die dargestellten Prozesse geschehen vor dem Hintergrund umfassender Verschiebungen in der Thematisierung von Migration und Integration, die in Wien nunmehr vor allem unter dem Schlagwort des Diversitätsmanagements stattfinden. Der im Jahr 2002 von der Stadtregierung eingeleitete Paradigmenwechsel hin zu einer integrationsorientierten Diversitätspolitik führte offiziell zu einer Abkehr der defizitorientierten Integrationspolitik der Vergangenheit zugunsten einer Anerkennung „kultureller Diversität“ als „Chance“ und „Potential“. Dadurch soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Wien und die dafür notwendige Aufrechterhaltung des sozialen Stadtfriedens gewährleistet werden.
Folgende inhaltliche Eckpunkte gelten dafür als zentral[ix]: Ethnische und soziale Konflikte sollen präventiv durch eine bewusste Absage an das in der Vergangenheit in Bezug auf MigrantInnen dominierende Problemdenken bekämpft werden. Der neue, ganz in der neoliberalen Logik gefangene Denkansatz lautet nun, (individuelle) migrantische Potentiale zu erkennen, zu aktivieren und zu fördern, um diese für die Stadtentwicklung nutzbar zu machen. Neben Mehrsprachigkeit sollen so etwa auch die transnationalen Netzwerke der MigrantInnen für bessere, innovationsorientierte Kontakte der Stadt genützt werden. Durch die Repräsentation von MigrantInnen in der Verwaltung sowie auf allen städtischen Ebenen soll deren Identifikation mit der Stadt verbessert und Desintegrationsprozessen vorgebeugt werden. Die Normalität „kultureller Vielfalt“ soll sich so auch im Selbstverständnis Wiens als bekennende Einwanderungsstadt widerspiegeln.
Governing through community
Darüber hinaus gewinnt die Kooperation mit migrantischen Communities insbesondere im Zusammenhang mit der Stadtteilarbeit an Bedeutung. Das aus dem nordamerikanischen Kontext stammende Konzept des governing through community[x] scheint sich demnach auch hierzulande als neue Regierungstechnologie durchzusetzen. So wird von Seiten der Stadtregierung bewusst versucht, Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen zu ExpertInnen und VertreterInnen unterschiedlicher MigrantInnenorganisationen aufzubauen, um eine besser kontrollierbare Zusammenarbeit zu erreichen. Dabei werden häufig Klassenstrukturen perpetuiert, etwa wenn v. a. erfolgreiche migrantische UnternehmerInnen, deren Erfolgsgeschichten weitere internationale InvestorInnen und UnternehmerInnen anlocken sollen, als förderungs- und kooperationswürdig betrachtet werden. Indem diese Politik die als legitim erachteten, migrantischen RepräsentantInnen (die dann auch spezifische „ethnische“ Kriterien erfüllen müssen) anruft und einbezieht, stärkt sie zudem Kulturalisierungs- und (Selbst-) Ethnisierungsprozesse. In MigrantInnen-Communities werden dadurch konservative Kräfte befördert, während etwa feministische oder radikal linke Positionen weiter marginalisiert werden.[xi] Darin zeigt sich, dass Diversitätspolitik differenzialistische Politik ist. Sie „erschafft“ die Fremdheit, die sie regiert, und differenziert diese in „gute“ und „schlechte“ Alterität.
Die neoliberalen Diversitätsmaßnahmen der Stadt zielen vornehmlich darauf ab, die Außenwirkung der Stadt Wien als offene, vielfältige und innovative Weltstadt zu stärken. Durch den effizienteren Einbezug migrantischer Arbeitskräfte und die Ausschöpfung des ihnen zugeschriebenen Kreativitätspotentials sollen außerstädtische und internationale Beziehungen gefördert werden, um Wien international konkurrenzfähig zu halten.
Welche rassistischen Bilder von Differenz dieser Politik zugrunde liegen, wie dadurch Rassismen (re-)produziert werden und welche negativen soziokulturellen und politischen Folgen diese Maßnahmen für die Mehrzahl der in Wien lebenden Menschen mit sich bringen, bleibt unberücksichtigt. Die damit in Verbindung stehende Dethematisierung der Entrechtung von MigrantInnen zeigt sich etwa in der Haltung der Wiener SPÖ gegenüber der Forderung des Wahlrechts für MigrantInnen.
Antirassistische Feigenblätter
Als zentrales Argument gegen eine Öffnung des sozialen Wohnbaus betonte die SPÖ wiederholt die Bedeutung der StaatsbürgerInnenschaft, mit deren Verleihung ohnedies sämtliche Rechte erworben würden – die Möglichkeit auf eine Gemeindewohnung ebenso wie jene auf politische Mitsprache, egal auf welcher Ebene. Tatsächlich galt Wien lange Zeit als vergleichsweise liberale Ausnahme im insgesamt restriktiven Österreich. Die Einbürgerungsrate lag zumeist deutlich höher als in den anderen Bundesländern. Auch die dafür vorgesehenen Gebühren waren vergleichsweise niedrig.[xii] Das Argument der Möglichkeit auf eine relativ frühzeitige Einbürgerung diente der SPÖ dabei als antirassistisches Feigenblatt, um die ihrer repressiven Politik inhärenten Widersprüche zu verschleiern: Erstens führte ihre Wohnungspolitik nicht nur zu einer Überteuerung der Mietpreise und Wohnungsnot, sondern hatte für MigrantInnen zusätzlich bedrohliche Auswirkungen, weil diese aufenthaltsrechtlich verpflichtet sind, einen Nachweis über eine „inländerortübliche Unterkunft“ zu erbringen. Gerade die Stadt Wien war lange Zeit für ihre äußerst restriktive Vollzugspraxis dieser aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen bekannt.[xiii] Zweitens steht der vermeintlichen Offenheit in der Frage der Einbürgerung die träge und verhindernde Rolle der Wiener SPÖ in Bezug auf die Durchsetzung des Wahlrechtes auf Bezirksebene gegenüber.
So ist zwar in den aktuellen diversitätsorientierten Papieren der Stadtregierung von Teilhabechancen und Gleichberechtigung die Rede. Diese Verlautbarungen bleiben jedoch vage und unkonkret. Verlässt man überdies die Ebene der schönen Worte und begibt sich auf jene der Rechte und hier insbesondere der politischen, erscheint eine unübersehbare Leerstelle.
(K)ein Wahlrecht auf Bezirksebene
Über Jahre hinweg wurde das Thema der politischen Mitbestimmung von MigrantInnen in der Stadt ignoriert, darauf folgte eine Phase der politischen Pattstellung, die nach einem kurzen Moment der Öffnung und des Scheiterns wiederum zur heute herrschenden Ausblendung des Themas führte.
Während beispielsweise in Städten in Schweden seit 1975, in Dänemark und Norwegen seit Anfang der 1980er Jahre und in den Niederlanden seit 1985 Nicht-StaatsbürgerInnen aktiv und passiv wahlberechtigt waren und so die kommunale Politik mitbestimmen konnten, war die Frage migrantischer Mitbestimmung in Österreich bis Ende der 1990er Jahre politisch kein Thema. Selbst der Beitritt zur Europäischen Union und die dadurch notwendig gewordene Verfassungsänderung und Öffnung des Wahlrechts für EU-BürgerInnen auf Gemeinde- und in Wien auf Bezirksebene wurden nicht für eine ernsthafte Diskussion über die Frage der politischen Mitbestimmung jenseits der Staatsangehörigkeit genutzt.
Erst als Graz und Linz 1995 bzw. 1996 – 25 und mehr Jahre nach zahlreichen vergleichbaren europäischen Städten – so genannte Ausländerbeiräte einführten, die – von der migrantischen Bevölkerung direkt gewählt –, als beratende Organe für die Kommunalpolitik fungieren sollten, erhöhte sich auch der Druck auf die politischen Parteien in Wien. Ende der 1990er Jahre sprachen sich die Wiener SPÖ und ÖVP schließlich ebenfalls für eine solche Beiratslösung und damit gegen eine tatsächliche Mitbestimmung in Form eines Wahlrechts für Drittstaatsangehörige aus. Die Volkspartei knüpfte ihre Zustimmung jedoch an die Öffnung der Gemeindewohnungen für Nicht-Staatsangehörige; eine Forderung, die zwar in keinem Zusammenhang mit der Einführung eines Beirates stand, die aber von der SPÖ zu diesem Zeitpunkt abgelehnt wurde und so zu einer erfolgreichen gegenseitigen Blockade der damaligen Koalitionsparteien genutzt werden konnte.[xiv]
Unerwartete Dynamik schafften erst die Gemeinderatswahlen im Frühling 2001, in deren Vorfeld sich die SPÖ plötzlich für eine Öffnung des Wahlrechts aussprach. Der Grund für diesen Meinungsumschwung innerhalb der Wiener SPÖ ist wohl auf Bundesebene zu finden: Die Wiener Wahlen fanden genau ein Jahr nach Bildung der rechtskonservativen Bundesregierung von FPÖ und ÖVP statt. Während zu erwarten war, dass die FPÖ erneut einen rassistischen Wahlkampf führen würde, war der SPÖ einerseits daran gelegen, sich selbst als Gegengewicht zur traditionell migrations- und migrantInnenfeindlichen FPÖ zu inszenieren und andererseits die Stadt Wien unter ihrer Führung als liberales Gegenkonzept zur rechtskonservativen Bundesregierung zu positionieren.[xv] Am anderen Ende des politischen Spektrums bauten die Grünen, die das Thema Wahlrecht erst auf die politische Agenda gesetzt hatten, Druck auf; zudem vereinigten sich einige NGOs zu einer Aktionsplattform und thematisierten den wahlrechtlichen Ausschluss öffentlichkeitswirksam im Stile einer Wahlkampagne.[xvi]
Das Wahlergebnis (die FPÖ verlor, die SPÖ konnte die absolute Mandatsmehrheit zurückgewinnen) wurde als Absage der WählerInnen an den politischen Rassismus gefeiert und ließ der SPÖ plötzlich keine andere Möglichkeit mehr, als die Öffnung des Wahlrechts, die Teil ihres Wahlprogramms geworden war, tatsächlich umzusetzen – zumal ihnen auch das Argument eines unwilligen Koaltitionspartners abhanden gekommen war.
Daraus resultierte jenes Gesetz, das im Dezember 2002 im Wiener Landtag mit den Stimmen von SPÖ und Grünen beschlossen worden war und im Juni 2004 vom Verfassungsgerichtshof nach einem Antrag von ÖVP und FPÖ wieder aufgehoben wurde. Neben EU-BürgerInnen sollten nach einem Aufenthalt von fünf Jahren auch Drittstaatsangehörige in den Bezirken aktiv und passiv wahlberechtigt sein. Das Höchstgericht glaubte jedoch ausgerechnet in der Ausweitung des Wahlrechts einen verfassungswidrigen Verstoß gegen das demokratische Grundprinzip zu erkennen und hob das Gesetz wieder auf.[xvii]
Der gescheiterte Versuch scheint im Nachhinein ein ausgeblendeter Moment der Wiener Politik zu sein. Weder wurde an eine Ersatzlösung durch das zuvor präferierte und ohnedies dürftige Beiratsmodell gedacht, noch die Einführung des (kommunalen) Wahlrechts für Drittstaatsangehörige durch eine Verfassungsänderung auf Bundesebene vorangetrieben, wo die SPÖ seit 2007 immerhin wieder als stimmenstärkste Partei in der Regierung vertreten ist. Im Gegenteil: Das Thema verharrt wie schon in den Jahren zuvor erneut in einer Phase der Ignoranz.
Demzufolge bedeutet die nunmehr vorangetriebene integrationsorientierte Diversitätspolitik in diesem Bereich keinen Bruch mit der Integrationspolitik der Vergangenheit. Vielmehr setzt diese die Beibehaltung der gezielten Entrechtung und der damit verbundenen Hierarchisierung der MigrantInnen unter neoliberalen Vorzeichen fort.
MigrantInnen im ORF
Das bereits erwähnte Beispiel des Brunnenviertels zeigt aktuell, wie Diversitätspolitik städtischen Raum nach neoliberalen Kriterien transformiert und infolge weniger leistbar für ärmere MigrantInnen macht. Sie müssen daraufhin in Stadtteile, in denen das Diversity-Konzept noch nicht erfolgreich war, ausweichen. In der Medienlandschaft setzt sich das Konzept eines Multikulturalismus ohne MigrantInnen[xviii] fort. Medien in Österreich sind vor allem dann erfolgreich, wenn sie eine nationalistische Ausrichtung haben (siehe z.B. Österreich, Neue Kronen Zeitung usw.). Das Mediensystem bleibt so größtenteils resistent gegenüber der Sichtbarkeit von MigrantInnen als Medien-AkteurInnen. Noch lässt sich das Argument Diversity sells in der Medienwelt auf der Seite der AussagenproduzentInnen schwer umsetzen, weil der mehrheitlich akzeptierte, publikumswirksame Typus MigrantIn (akzentfrei, sichtbar, exotisch aber österreichisch) noch nicht klar definiert bzw. noch nicht konstruiert wurde.
Während MigrantInnen in den Mainstream-Medien vor allem als Schlagzeilen teilhaben dürfen, beschränkt die Stadt das Projekt mediale Diversität auf die eigene Öffentlichkeitsarbeit und die dafür produzierten Medien: „Die Medien der Stadt bilden die Zuwanderungsrealität ab und zeigen mit ihrer Bildsprache und Themensetzung, wie sehr sich Wien durch Migration und internationale Mobilität geändert hat.“[xix] Dennoch ändert sich nichts daran, dass die Bemühungen der MigrantInnen, sicht- und hörbar zu werden, marginalisiert bleiben: zwar wurde im Sinne der Stadtpolitik etwa für die Redaktion des populären ORF-Stadtmagazins Wien heute lange im ORF-Assessment-Center nach diversitäts-tauglichen MigrantInnen gesucht. Nach einigen Pannen stellte Wien heute schließlich die Journalistin Eser Akbaba 2009 als Wettermoderatorin ein: MigrantInnen werden auf ein Ressort verwiesen, dessen Inhalt politisch irrelevant ist. Dieses Dilemma zwischen Diversity-Zelebrierung und gesellschaftlichem bzw. strukturellem Rassismus spitzt sich beim ORF angesichts des öffentlich-rechtlichen Auftrages zu. Seine gesetzliche Pflicht, antirassistisch zu handeln, verlagert der ORF lieber in Aktionen abseits des eigenen Programms, z. B. den ausgerufenen „Österreichischen Integrationspreis“. Der ORF selbst ist dafür kaum ein aussichtsreicher Kandidat. Das hindert ihn aber nicht daran, die Integrationsleistung der „Anderen“ einzufordern.
Kreative Spielplätze
Die gesellschaftliche Verantwortung, gegen rassistische Medienstrukturen vorzugehen, verlagert sich angesichts dessen immer mehr auf alternativ-partizipative Medien. Im Rahmen der lokalen Medienprojekte Radio Orange und Okto ergreift eine Reihe von MigrantInnen-Gruppen und Organisationen die Chance, Radio- und TV-Inhalte in unterschiedlichen Sprachen zu produzieren. Die Bereitschaft der Stadtregierung, Radio Orange und vor allem Okto mit Förderungen zu unterstützen, steht im krassen Gegensatz zur Präsenz und zum Zugang der MigrantInnen in Redaktionen wie Wien heute. Dieser Kontrast deutet auf die Instrumentalisierung der partizipativen Medien als „kreative Spielplätze“ seitens der Stadtregierung hin, um migrantische Anliegen außerhalb des Mainstreams zu befrieden. Integration als „living in harmony“ wurde medial outgesourced.
Die Bemühungen und Strategien der Stadt, Medien für MigrantInnen attraktiv zu machen, hängen auch mit der Notwendigkeit, migrantisches Publikum zu regieren, zusammen. Das Diversity-Konzept wird erst dann hegemonial, wenn die gesellschaftlichen AkteurInnen – MigrantInnen oder nicht – die „richtigen“ Differenzen im Alltag und in der Öffentlichkeit produzieren und verbreiten. Um dieses Wissen zu vermitteln, müssen MigrantInnen auch medial an die Ziele der Stadt gebunden werden. Die technologischen Mittel machen aber die mediale Unabhängigkeit von MigrantInnen nicht nur denkbar, sondern auch sichtbar: Die Dichte der Satellitenschüssel im öffentlichen Bild wurde zum untrüglichen Zeichen migrantischen Raums. Der politische Reflex auf die Zunahme der Satellitenschüsseln im öffentlichen Raum bestand darin, den „ewigen Ghettodiskurs“[xx] und damit die Metapher der „Medien-Ghettos“ als Kontrast zum Global-Cities-Bekenntnis auf die politische Agenda zu setzen.
Migrantische Gegenöffentlichkeiten
Der Druck zur „medialen Integration“ von MigrantInnen wurde in Wien unterschiedlich aufgegriffen. Politische Medienprojekte wie STIMME von und für Minderheiten[xxi] arbeiten abseits des Integrationsimperativs und zielen auf die Bereitstellung von alternativen Gegenöffentlichkeiten. Die Gründung der MigrantInnenorganisation M-MEDIA[xxii] ging mit dem Anliegen einher, Mainstream-Medien und die Berichterstattung über Migration und MigrantInnen aktiv mitzugestalten. Gegen die „moralische Integrationskeule“ stellt sich auch das Wiener Stadtmagazin biber[xxiii], das sich in seinem Selbstverständnis der Vermittlung und Reflexion eines neuen städtischen Lebensgefühls verschreibt. In der Berichterstattung überwiegt aber die bereichernde Funktion der MigrantInnen für die Stadt der Zukunft.
Die drei hier exemplarisch angeführten migrantischen Medienprojekte verfolgen unterschiedliche Ziele, verwerfen oder übernehmen Deutungsmuster – wie jene der Diversity-Stadt – der Wiener Migrationspolitik. Sie produzieren Gegenöffentlichkeiten, die von unterschiedlicher Distanz zu dominanten Konzepten gekennzeichnet sind: Ähnlich wie die Mediennutzung sind auch die Medien der MigrantInnen nicht „ethnisch“, sondern von der sozialen Verortung bestimmt.[xxiv]
Migrantische Initiativen können jedoch nur eingeschränkt die Herstellung einer egalitären bzw. emanzipatorischen Öffentlichkeit unterstützen. Gründe hierfür lassen sich nicht nur in den dominanten politischen Strukturen und den AkteurInnen finden, sondern auch in den Medien des Mainstreams, welche die hegemonialen gesellschaftlichen Positionen verbreiten. Im Fall der österreichischen Medienlandschaft spitzt sich dieser Umstand aufgrund der starken Konzentration weiter zu. Der Dominanz der Neuen Kronen Zeitung und ihrer Fähigkeit, rassistische Diskurse gegenüber „AusländerInnen“ zu stützen und zu vervielfältigen, setzt die Stadt kaum etwas entgegen. Dabei geht es nicht nur um eine strukturelle Schwäche, sondern auch um die politische Festlegung der Stadt auf Diversität: Das Diversity-Konzept orientiert sich an den rassistischen Diskursen des Mainstreams, indem es „Differenzen“ lösungsorientiert aufarbeitet und damit nach neuen Kriterien reproduziert.
Struktureller Rassismus in der multikulturellen Stadt
So sehr es im Rahmen aktueller Diversitätsdiskurse also zur selektiven Zelebrierung von Migration als Asset für die moderne, weltoffene Stadt kommt, so wenig geht damit eine umfassende Durchsetzung antirassistischer Politiken einher. Während „Fremdenfeindlichkeit“ und „Vorurteile“ durchaus nachdrücklich angeprangert werden (nicht zuletzt, weil dadurch wichtiges „Potential“ für die Stadt verloren ginge), bleiben strukturelle Rassismen (im Fremdenrecht, am Arbeitsmarkt, im Schulsystem, etc.) unthematisiert und werden antirassistische Gruppen und Vereine wie etwa AFRA (International Center for Black Women’s Perspectives)[xxv] oder ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismusarbeit)[xxvi] durch mangelnde Fördergelder permanent in ihrer Existenz bedroht.
Die differenzialistische Diversitätspolitik unterscheidet in „gute“ und „schlechte“ Alterität. Während sie Erstere fördern will, verspricht sie eine entschlossene Gangart im Umgang mit Zweiterer. Das tut sie einerseits durch aktivierende und pädagogisierende Maßnahmen (Deutschkurse für Mütter, interkulturelle Jugendarbeit, etc.) für jene, denen – trotz ihnen angelasteter problematischer „Eigenarten“ – ein Recht auf Teilhabe sowie die Fähigkeit, „sich zu entwickeln“, zugesprochen wird. Vor dem Hintergrund umfassender Kriminalisierung einzelner MigrantInnengruppen bedient man sich andererseits im Umgang mit „schlechter Fremdheit“, ganz im Einklang mit breiteren law and order-Politiken der autoritären Stadt, der Mittel von Überwachung und Bestrafung.
Rassistische Polizeistrategien
Während diesbezügliche Diskurse aktuell besonders auf muslimische MigrantInnen und das Schreckgespenst „Moschee“ als vermeintlichen Gefahrenort abzielen, zeigt sich die kriminalisierende Praxis massiv im Zusammenhang mit in Wien lebenden Menschen afrikanischer Herkunft. Diese stehen seit längerem im Fadenkreuz repressiver Maßnahmen, die v.a. im Namen der Drogenbekämpfung durchgeführt und legitimiert werden. Polizeiliche Maßnahmen, wie etwa die im Mai 1999 durchgeführte Operation Spring[xxvii] können dabei nicht losgelöst von den Kämpfen der Schwarzen Communities gesehen werden. Die erstarkende Vernetzung unter den Communities manifestierte sich (kurz vor der medial groß inszenierten „Operation“) im März 1999 im Rahmen der Demonstration „Stoppt den Rassistischen Polizeiterror“ in Wien, auf der gegen polizeiliche Gewalt an Schwarzen Menschen, die etwa im Fall von Ahmed F. oder Marcus Omofuma tödlichen Ausgang hatte, protestiert wurde. Polizeiaktionen wie Operation Spring (oder die Wiener SoKo Jambo und die Aktion Herbstblatt), verfolgten immer auch die Funktion, diese politische Mobilisierung Schwarzer Communities zu unterbrechen und zu delegitimieren.[xxviii]
Von Seiten der Wiener Migrations- und Integrationsbeauftragten oder gar des Bürgermeisters persönlich gab es trotz mehrfacher polizeilicher Übergriffe noch nie ein klares Votum gegen strukturellen Rassismus im Polizeiapparat. Zu gut funktioniert offensichtlich die Kriminalisierungsstrategie, die im Rahmen des dominanten „moralischen Antirassismus“[xxix] dazu führt, dass MigrantInnen ihren Status als „legitime Opfer“, denen es zu helfen gilt, verlieren.
Auf Basis dieser Kriminalisierungslogik kann die sich multikulturell gebende Stadtregierung auch ohne Imageverlust weitere Regelungen umsetzen, welche die Verfügungsgewalt der Polizei über MigrantInnen ausweiten. So wurde etwa am 26. März dieses Jahres auf Initiativantrag der Wiener SPÖ (und mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ) eine Verschärfung der Gesetzgebung zum Betteln auf Wiens Straßen durchgesetzt. Neben schon bestehenden Verboten (z.B. von „aggressivem und aufdringlichem“ oder „organisiertem“ Betteln) ist nunmehr auch das „gewerbsmäßige Betteln“ unter Geld- bzw. Haftstrafe gestellt. Die Verschärfung steht damit in einer Reihe von städtischen Maßnahmen (z. B. der Ausrufung so genannter Schutzzonen), die es erleichtern, unterschiedliche marginalisierte Personengruppen zu kriminalisieren und aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.
Während die rassistische Logik solcher Maßnahmen durch den Sicherheitsdiskurs überdeckt werden kann, zeigt sich, dass eine völlige Verschleierung dieser, gegen MigrantInnen gerichteten Effekte gar nicht nötig (oder gewollt) ist. So wurde etwa im Rahmen der Anti-Bettel-Gesetzesnovelle von SPÖ-Seite offen auf die Gefahr von „Bettelmafias aus dem Osten“ verwiesen, die man mit dem neuen Gesetz verstärkt bekämpfen könne. Diese Strategie ermöglicht es der SPÖ, ein Image der toleranten Weltoffenheit zu bewahren und gleichzeitig den von der FPÖ angeführten rassistischen Sicherheitsdiskurs zu bedienen, um auch rechtes WählerInnenpotential anzusprechen.
Migration als Fangfrage fürs „Rote Wien“
Die Stadt Wien proklamiert, Migration und Differenz heute nicht mehr als Problem, sondern als Potential zu verstehen. Im Sinne neoliberaler Verwertungslogiken erscheint Diversity als Standortfaktor im globalen Konkurrenzkampf der Städte und soll von aktivierenden Politiken gefördert werden. Anhand der vorgestellten Bereiche zeigen sich zwar stadtpolitische Veränderungen: Wien bekennt sich zunehmend als Einwanderungsstadt. Den MigrantInnen vormals negativ zugeschriebene „Differenzen“ werden als Motor für die Stadt oder für einzelne Viertel wie dem Brunnenviertel umgedeutet. Auch in den Medien setzt sich das Pochen auf eine sichtbare Präsenz der MigrantInnen als kosmopolitischer Zeitgeist und antirassistisches Aushängeschild durch. Gleichzeitig werden anhand der Geschichte der bis heute andauernden Exklusion aus dem sozialen Wohnbau, den abgewürgten Wahlrechtsdebatten und der Kooption medialer Gegenöffentlichkeiten sowie der insbesondere gegen rassifizierte und arme Subjekte gerichteten, technisch aufgerüsteten Sicherheitspolitik deutlich, dass Ausgrenzung und Rassismus als zentrale Aspekte von Wiener Stadtgeschichte und -politik erkannt werden müssen. Während Rassismus nicht losgelöst von migrantischen Kämpfen gegen Rassismus, Entrechtung und Marginalisierung gesehen werden kann, ermöglicht die dominante Diversity-Diktion eine Verschiebung der Auseinandersetzungen auf Fragen von Kultur und Anerkennung. Der Fokus wird dabei auf Fragen der Einschätzung, Bewertung und Behandlung kultureller Differenz gerichtet. Ökonomische Verhältnisse sowie handfeste politische Rechte können dadurch von der Agenda genommen werden. Entrechtung, Überwachung und Bestrafungspolitiken können als widerspruchsfrei zu Diversitätspolitiken gefasst und im Namen der Sicherheit vorangetrieben werden. Durch das Sichtbarmachen von Entrechtung und Marginalisierung der MigrantInnen werden also antirassistische Fangfragen an das heutige Rote Wien gestellt. Diese kann die dominante Diversitätspolitik nur falsch beantworten.
Die AutorInnen – Kürzen
Assimina Gouma, Studium der Kommunikationswissenschaft und Kultur- und Sozialanthropologie/Neogräzistik in Wien, war Soziologie-Scholarin am Institut für Höhere Studien und ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin in Ausbildung im Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg.
Petra Neuhold, Studium der Soziologie und Geschichte in Graz und Poitiers, war Assoziierte am Center for Metropolitan Studies/Transnationales Graduiertenkolleg Berlin-New York und Visiting Scholar an der University of Toronto, derzeit Doktorandin am Institut für Soziologie an der Universität Wien.
Paul Scheibelhofer, Studium der Soziologie in Wien und Amsterdam, Doktorand an der Central European University, Gender Studies Department, lehrt an den Universitäten Wien, Graz und Innsbruck. Forschungsschwerpunkte: Migrations- und Rassismusforschung, Geschlechterforschung und kritische Männlichkeitsforschung.
Gerd Valchars, Studium der Politikwissenschaft in Wien und Toronto sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien, Doktorand an der Universität Wien und Lehrveranstaltungsleiter am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Österreichische Regimelehre, Citizenship, Migrationsforschung.
Die AutorInnen sind Mitglieder der Forschungsgruppe [KriMi] Kritische Migrationsforschung.
1 Auch im Roten Wien der Zwischenkriegszeit war der Umgang mit Migration widersprüchlich. Die SozialdemokratInnen forderten zum Teil den freien Zugang für ArbeitsmigrantInnen, aber das nationalistisch-protektionistische Denken setzte sich auch innerhalb der Partei gegen die internationalistische Ausrichtung durch. (vgl. John, Michael: Organisationsformen der Wanderminoritäten: Österreich 1867-1925, in: Groppo, Bruno/Schindler, Christine (Hg.): Arbeiterbewegung und Migration. Internationale Tagung der Historikerinnen und Historiker der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung, Tagungsberichte, Wien 1996) 1925 wurde dann das Inländerbeschäftigungsgesetz beschlossen. Damit wurde ein Startpunkt für die Illegalisierung der Migration durch den beschränkten Zugang zu Arbeit gesetzt, der die Migrationspolitik bis heute prägt.
[ii] Vgl. Sassen, Saskia: Cities in a World Economy, Thousand Oaks, London, New Delhi 1994
[iii] Wir verwenden hier bewusst die männliche Form, um auf die Vergeschlechtlichung des Diskurses über „Gastarbeiter“ hinzuweisen.
[iv] Bis heute müssen Drittstaatsangehörige einen durchgehend legalen Aufenthalt von mehr als fünf Jahren vorweisen, um Anspruch auf eine Gemeindebauwohnung zu erhalten. Eine tatsächliche Öffnung des Gemeindebaus erfolgte daher trotz der Umsetzung der EU-Richtlinie 2006 nicht.
[v] vgl. Reeger, Ursula/Kohlbacher, Josef: Die Wohnsituation von AusländerInnen in Österreich, in: Fassmann, Heinz/ Stacher Irene (Hg.): Österreichischer Migrations- und Integrationsbericht. Demographische Entwicklungen – sozioökonomische Strukturen – rechtliche Rahmenbedingungen, Wien 2003, S. 87–109
[vi] Weingartner, Jakob: Wiens Notting Hill, in: Malmö 2007, Nr. 37, unter: http://www.malmoe.org/artikel/alltag/1421
[vii] Vgl. Reeger/Kohlbacher 2003, a.a.O., S. 104ff.
[viii] Ab Herbst 2000 wurde zusätzlich ein Kontingent an Gemeindebau- und geförderten Wohnungen bereit gestellt, um diese in Notfällen an „aufenthaltsverfestigte“ (sic!) MigrantInnen zu vergeben.
[ix] Vgl. Struppe, Ursula: Grundsätze der Integrations- und Diversitätspolitik der Stadt Wien, in: Politics of Diversity, Dossiers, Heinrich Böll Stiftung 2008, unter: http://www.diversity-boell.de/web/diversity/48_1738.asp
[x] Nikolas Rose bezeichnet damit eine neoliberale Regierungstechnologie der kontrollierten Einbindung von Communities im Kontext der gleichzeitigen Aushöhlung des Sozialstaates.
[xi] Vgl. Neuhold, Petra/Scheibelhofer, Paul: Provincializing Multiculturalism. Postkoloniale Perspektiven auf Diversität, Multikulturalismus und Emanzipation, in: Prokla 158 (2010), S. 85-100
[xii] Der Bundesregierung diente ebendiese angeblich zu leichtfertige und vorzeitige Verleihungspraxis als eines der (Schein)-Argumente für eine weitere Verschärfung des StaatsbürgerInnenschaftsrechts (vgl. Çinar, Dilek: Integration vor Einbürgerung: die Staatsbürgerschaftsrechtsnovelle 2005, in: Fassmann, Heinz (Hg.): 2. Österreichischer Migrations- und Integrationsbericht, Wien 2007, S. 41–46, hier: S. 41f). Mit der Verschärfung 2005 ist die Zahl der Einbürgerungen auch in Wien gesunken. Im Jahr 2009 (0,84%; 1981–2006: 3,95%) lag die Einbürgerungsrate sogar unter dem österreichweiten Durchschnitt (0,92%; 1981–2006: 3%) (Statistik Austria, unter: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/einbuergerungen/index.html; eigene Berechnung).
[xiii] Vgl. Reeger/Kohlbacher 2003, a.a.O., S. 107
[xiv] Görg koppelt Ja zu Beirat an Gemeindebau-Öffnung, in: Der Standard, 24.02.1998
[xv] Quod omnes tangit ab omnibus approbetur?, Radiointerview mit Ljubomir Bratić (ANAR), in: Radio Stimme – Die Sendung der Initiative Minderheiten, 11.03.2003, Orange 94.0
[xvi] Die Forderungen in einer Kampagne gebündelt, Interview, in: STIMME von und für Minderheiten, Nr. 38/2001, S. 20f.
[xvii] Valchars, Gerd: Defizitäre Demokratie. Staatsbürgerschaft und Wahlrecht im Einwanderungsland Österreich, Wien 2006, S. 92ff.
[xviii] Im Rahmen der 8. International Metropolis Conference in Wien (15. bis 19. September 2003) sprach die Soziologin Ien Ang (University of Western Sydney) davon, dass in Sydney inzwischen ein Multikulturalismus ohne MigrantInnen existiere. Gleichzeitig sei das Wort „Integration“ in der offiziellen Sprache der Stadtverwaltung durch „living in harmony“ ersetzt worden.
[xix] Wiener Zuwanderungskommission: Migration – Mobilität – Vielfalt. Bericht Wiener Zuwanderungskommission 29-01-2010, S. 44, unter: http://www.wien.gv.at/integration/zuwanderungskommission.html
[xx] Yildiz, Erol: Stigmatisierende Mediendiskurse in der kosmopolitanen Einwanderungsgesellschaft, in: Butterwege, Christoph/Hentges, Gudrun (Hg.): Massenmedien, Migration und Integration, Wiesbaden 2006, S. 35–52
[xxi] Unter: http://minderheiten.at
[xxii] Unter: http://www.m-media.or.at/
[xxiii] Unter: http://www.dasbiber.at
[xxiv] Aksoy, Asu/Robins, Kevin: The Enlargement of Meaning: Social Demand in a Transnational Context, in: International Communication Gazette, 65 Jg., H. 4–5 (2003), S. 365–388
[xxv] Unter: http://www.blackwomencenter.org
[xxvi] Unter: http://www.zara.or.at/
[xxvii] Im Rahmen der Operation Spring wurde erstmals von der Möglichkeit des „großen Lauschangriffs“ Gebrauch gemacht. Am 27. Mai 1999 stürmten mehr als 850 BeamtInnen Wohnungen, Pensionen und Asylheime in Wien, Graz, Linz und St. Pölten. Mit Verweis auf die angebliche Existenz einer „Nigerianischen Drogenmafia“ wurden dabei 127 Menschen verhaftet und nach höchst dubiosen Gerichtsverhandlungen teilweise zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Vgl. http://www.no-racism.net
[xxviii] Vgl. Johnston-Arthur, Araba: Nichts passiert von allein …, Interview mit Araba Johnston-Arthur, in: Fischer, Fabian/Klauser, Franziska, et al. (Hg.): Ohne Aufenthaltstitel, Wien 2009, S. 27–36
[xxix] Andreas Görg beschreibt „moralischen Antirassismus“ als eine in Österreich populäre und spätestens seit dem Wiener „Lichtermeer“ im Mainstream angekommene Version des Antirassismus, der sich über krude Aussagen einer FPÖ empört und sich für den Respekt von Diversität einsetzt. Strukturellem Rassismus setzt dieser „moralische Rassismus“ dabei genauso wenig entgegen wie der Kriminalisierung durch Sicherheitspolitiken. Viel eher findet eine Übernahme von dessen Logiken statt; es wird differenziert zwischen „reinen Opfern“, die der Hilfe und des Mitleids bedürfen, und „kriminellen AusländerInnen“, die aus Sicht des „moralischen Antirassismus“ ihr Recht auf Rechte verspielt haben. Vgl. Görg, Andreas: Antirassistischer – Konfliktlinien und Allianzenbildung, in: Bratic, Ljubomir (Hg.): Landschaften der Tat. Vermessung, Transformationen und Ambivalenzen des Antirassismus in Europa, St. Pölten 2002, S. 223–236