Rezension: Werner-Lobo, Klaus: Uns gehört die Welt – Macht und Machenschaften der Multis, München: Carl Hanser Verlag 2008, 278 Seiten, € 16,90
Sieben Jahre nach dem Erscheinen des globalisierungskritischen Klassikers „Schwarzbuch Markenfirmen – Die Machenschaften der Weltkonzerne“ wendet sich einer der Autoren, Klaus Werner-Lobo, mit seinem jüngsten Werk „Uns gehört die Welt – Macht und Machenschaften der Multis“ an eine neue Generation von GlobalisierungskritikerInnen. Das Erscheinen dieses Buches im Hanser-Verlag zeigt, dass die Thematik nicht nur aktuell geblieben ist, sondern auch junge LeserInnen und neue AktivistInnen dafür begeistert werden können. Inhaltlich werden viele der Fakten aus dem Schwarzbuch wiederholt, teilweise ergänzt und auch im Hinblick auf Handlungsmöglichkeiten und Alternativen diskutiert. Formal ist das Buch eingängig geschrieben, Vieles wird anhand von Beispielen illustriert, Begrifflichkeiten mangelt es fast nie an Erklärungen. Dies ist wohl auch Werner-Lobos 15-jähriger Beraterin Jana Forsthuber geschuldet, die „geholfen hat, dass dieses Buch auch für junge Menschen verständlich bleibt“. So wird jedes Kapitel mit einer Zusammenfassung in wenigen Punkten, einer Kurzübersicht an Handlungsmöglichkeiten und Empfehlungen zur weiterführenden Weblektüre abgeschlossen. Nach einem einführenden Kapitel über die ungerechte Ressourcenverteilung in der Welt widmet sich der Autor in jugendfreundlicher Sprache einigen klassischen Argumenten globalisierungskritischer Debatten. Im Abschnitt über Konzerne und Globalisierung führt er zunächst Begriffe wie Neoliberalismus, Global Village, Lobbyismus und Privatisierung ein, vergleicht das BIP verschiedener Länder mit jährlichen Konzerngewinnen und diskutiert die Rolle von IWF und Weltbank in der Verschuldung so genannter Entwicklungsländer. In den nächsten Kapiteln werden tatsächlich einige Themen aus dem Schwarzbuch unter ähnlichen Überschriften wiederholt. Vergleiche: Schmierige Geschäfte (2001) und Wie geschmiert (2007), Menschliche Versuchskaninchen (2001) und Kranke Geschäfte (2007) oder Fressen und Gefressen werden (2001) und Prost Mahlzeit! (2007). Dies ist dem Autor aber nicht vorzuwerfen, da er im Vorwort selbst einräumt, dass „einige Reportagen aus dem Schwarzbuch in den Text eingeflossen [sind]“. Neu gestaltet ist ein zusammenfassendes Kapitel über Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern, in welchem auch eine relativ ausführliche Kritik an den Strategien der Corporate Social Responsibility formuliert wird, sowie eine einfachere und weitaus kürzere Fassung der Diskussion um Finanzmärkte und der Besteuerung von Spekulationsprofiten. Am Ende des Buches gibt es dann eine Kurzfassung einiger Firmenportraits, die ja das Kernstück des Schwarzbuches ausmachten.
Wer dies alles schon oft gehört und gelesen hat, wird sich in diesem Buch vor allem für zwei Kapitel interessieren: „Alternativen“ und „Aktiv werden“. Zunächst erklärt der Autor hier recht allgemein was seiner Ansicht nach unter Kommunismus und Anarchismus zu verstehen ist, wobei letzterer weitaus besser wegkommt. Im Kommunismus gäbe es zwar ökonomische Gerechtigkeit, aber diese nur auf Kosten individueller Freiheiten, während in seinem weitgefassten Anarchismuskonzept, inklusive Rätedemokratie, eine herrschaftslose Ordnung möglich scheint. Zaghaft reformistische Ideen von Sozialer Marktwirtschaft weiß Werner-Lobo zu kritisieren, nicht zuletzt mit dem Verweis, dass die fetten Jahre nicht nur vorbei seien, sondern auch auf der Ausbeutung ehemaliger Kolonialländer beruhen. Mit dieser Feststellung geht der Autor dann zu seinen konkreteren Forderungen über: Grenzen auf für alle, Menschenrechte globalisieren und Möglichkeiten zur demokratischen Partizipation schaffen. Wobei es erfreulich ist, dass es hier keine Illusionen in die staatlichen Institutionen gibt. So wird die Sozialforums-Aktivistin Arundhati Roy folgendermaßen zitiert: „Unsere Freiheiten wurden uns nicht von irgendeiner Regierung gewährt, wir haben sie ihnen abgerungen. Und sind sie einmal preisgegeben, wird der Kampf um ihre Rückgewinnung zur Revolution. Dieser Kampf muss in allen Kontinenten und Ländern geführt werden. Kein Ziel ist zu klein, kein Sieg zu unbedeutend.“ Insgesamt bezieht sich der Autor sehr positiv auf die antikapitalistische Bewegung, sowohl in den Sozialforen als auch bei diversen Gipfelmobilisierungen (Seattle, Genua, Heiligendamm). In Bezug auf die in dem Kontext häufig gestellte „Gewalt-Frage“ wird durchaus vernünftig argumentiert, dass es dieses System ist, das Gewalt ausübt. Ansonsten fallen die Handlungsvorschläge unter dem Motto „Uns gehört die Welt“ eher enttäuschend aus: sich informieren, Zivilcourage zeigen und bei gemeinsamen, öffentlichen Aktionen Spaß haben. Kommunikationsguerillas und Rebel-Clown-Army machen es vor. Auch bei durchdachter Kritik und einer Reihe von Alternativen muss der fehlende Plan offensichtlich mit vielen Appellen an Humor und Geduld kompensiert werden. Obwohl sich Werner-Lobo radikaler gibt als noch vor zehn Jahren, fehlt ihm jeglicher Klassenstandpunkt, was seine Handlungsvorschläge allzu zahm ausfallen lässt.