Am Sonntag, dem 6. April 2008 fand in Ägypten eine Fortführung des seit über einem Jahr andauernden Radikalisierungsprozesses statt. Ein angesetzter Streik der TextilarbeiterInnen von Ghazl El-Mahalla für einen Anstieg der Mindestlöhne und verbesserte Arbeits- und Lebensbedinungen eskalierte in stundenlangen Straßenschlachten zwischen ArbeiterInnen und AnwohnerInnen auf der einen Seite, und einem massiven Polizeiaufgebot auf der anderen.
Diese Eskalation passiert vor dem Hintergrund einer massiven Unzufriedenheit in der Bevölkerung, insbesonders aufgrund des starken Anstiegs der Grundnahrungsmittelpreise in den letzten Wochen und einer zunehmenden Frustration ob des Regimes von Hosni Mubarak. Der Streikaufruf der ArbeiterInnen von Mahalla, die im letzten Jahr die Speerspitze der ägyptischen ArbeiterInnenbewegung bildeten, konnte daher leicht von Teilen der politischen Opposition aufgegriffen werden, welche daraufhin zu einem Aktionstag in ganz Ägypten aufriefen. Das Regime reagierte auf diese Herausforderung mit einem immensen Polizeiaufgebot und einer massiven Einschüchterungskampagne gegen die ArbeiterInnen und politischen AktivistInnen. Der letztendliche Versuch, den Streik der TextilarbeiterInnen zu sabotieren, führte jedoch dazu, dass sich die Wut und Frustration auf die Strassen von Mahalla verlagerte.
Laut Berichten von AktivistInnen aus Mahalla wurden bei den Protesten seit Sonntag bereits vier Protestierende getötet, Hunderte verletzt und/oder festgenommen. Unter den Festgenommenen befinden sich Kamal el-Fayoumi and Tarek Amin el-Senoussi, beides Streikführer und Aktivisten der Liga der TextilarbeiterInnen, welche sich in den letzten Monaten in Opposition zum staatsdominierten Gewerkschaftskomittee gegründet hatte. Aus anderen Teilen Ägyptens wurden ebenfalls etliche Festnahmen von politischen AktivistInnen aller Tendenzen gemeldet.
Die Auseinandersetzungen fanden bisher noch keinen Abbruch. Die Menschen in Mahalla ließen sich noch nicht einschüchtern und sind dementsprechend mit einem massiven Repressionsapparat konfrontiert.
Internationale Solidarität ist in dieser Situation von grösster Bedeutung. Wir rufen alle Kräfte und insbesonders gewerkschaftliche Gruppen dazu auf, Solidaritätserklärungen für die ArbeiterInnen von Mahalla und ihre inhaftierten KollegInnen zu verfassen. Ihr Kampf ist für den Erfolg der Bewegung essenziell!
Für genauere Informationen zu den Ereignissen siehe den Blog des ägyptischen Journalisten Hossam El-Hamalawy:
http://arabist.net/arabawy/
zur allgemeinen Entwicklung in Ägpyten siehe unser Artikel in Perspektiven Nr.4 Prophet und Prolet