Artikel drucken Twitter Email Facebook

Plurale Perspektiven
von Katharina Hajek

Rezension: Brand, Ulrich/Lösch, Bettina/Thimmel, Stefan (Hg.): ABC der Alternativen, Hamburg: VSA 2007, 12,40 €

ABC der Alternativen schreiben 133 AutorInnen über 126 ‚Alternativen’, oder besser: über Begriffe, die – so die HerausgeberInnen – „alternative ‚Weltsichten’ eröffnen und für emanzipatorisches Denken und Handeln wichtig sind“. Und in dieser Hinsicht wird der Band seinem Titel gerecht. Das „ABC“ handelt sich an den wichtigsten Begriffen der ‚Sprache der Alternativen’ ab, und damit eben auch an jenen Begriffen, in denen ‚Alternativen’ gedacht und widerständiges Handeln möglich wird. Dabei erheben die HerausgeberInnen auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da dieser Prozess der Begriffsfindung naturgemäß nie abgeschlossen sein kann, sondern sich ständig an den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen und an der Reflexion der ‚eigenen’, linken Praxis orientieren muss. Das spiegelt sich auch in der Auswahl der Begriffe wider. So ist hier etwa zu Stichworten wie „Sozialforen“ oder „Queer“ von Perspektiven und konkreten Praxen zu lesen, die vor 20 Jahren noch nicht Teil emanzipativer Bewegungen waren (oder sein konnten). Beim Lesen wird einem so schnell klar, dass Begriffe nicht bloß soziale Realitäten widerspiegeln, sondern selbst soziale Verhältnisse stiften. Somit kann bereits der Prozess der Begriffsfindung, obwohl oder gerade weil er so umkämpft ist, als Teil eines Veränderungsprozesses und damit auch als politische Aktivität gesehen werden.

Damit ist auch angedeutet, was dieses Buch nicht ist und auch nicht sein will, nämlich ein ‚Lexikon der Alternativen’. Soll heißen? Dieses Buch ist definitiv kein Nachschlagewerk und will auch keine letztgültigen Antworten geben. Zum ersten ist dafür die Bandbreite der hier vorgestellten Ansätze zu weit, die ‚Alternativen’ zu vielfältig (so reichen die Vorschläge von staatlich-institutionell bis anti-staatlich, von systemimmanent bis System transformierend, von lokal bis global). Zum zweiten zeigen auch die einzelnen Beiträge selbst, dass es den AutorInnen mit ihrem Hinweis auf den „strategisch-perspektivischen“ Charakter der Begriffe ernst ist. Hier stehen also neben der Darstellung der jeweiligen historischen Entstehungs- und Entwicklungskontexte und den Benennungen gesellschaftlicher Widersprüche auch immer dezidiert die emanzipativen Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten der vorgestellten Perspektiven zur Frage. Die einzelnen Begriffe werden so nicht einfach definiert, sondern vielmehr zur Diskussion gestellt. In diesem Zusammenhang kann das kurze „Zum Weiterlesen“ mit Literaturhinweisen am Ende jedes Beitrages durchaus wörtlich genommen werden. Sehr sympathisch ist dabei auch, dass nicht nur die ‚big names’ (wie diverse -ismen) behandelt werden, sondern unter Stichworten wie „Partizipativer Haushalt“, „Recht auf Stadt“ oder „Entschleunigung“ auch weniger prominente Perspektiven zu Wort kommen.

Die Ansicht, dass diese Pluralität genau das Gegenteil von Perspektivlosigkeit ist, zieht sich als roter Faden durch das ganze Buch und lässt sich zu recht mit der Feststellung zusammenfassen, „dass emanzipatorisches politisches Handeln unter sehr widersprüchlichen Bedingungen stattfindet und die Reflexion dieser Widersprüche zum praktischen Bestandteil von Emanzipation wird“.





Artikel drucken Twitter Email Facebook